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Gesundheit: Sams lesen, Sams spielen

Kinder lieben Computer. Kann man das für die Leseförderung nutzen? Ein FU-Projekt

LIEBER LESEN – WIE KOMMT DAS KIND ZUM BUCH?

Haben Sie als Kind auch gerne „Sesamstraße“ geguckt, Bibi Blocksberg-Kassetten gehört oder Geschichten von Astrid Lindgren gelesen? Wahrscheinlich schon.

Aber: Haben Sie sich nach der Schule auch an den Computer gesetzt und „Tomb Raider“ gespielt, bevor Sie mit dem neuen Mathe-Programm ein bisschen Bruchrechnen geübt und dann im Internet noch nach einer Wetterkarte für den Sachkundeunterricht gesucht haben? Spätestens jetzt müssen Sie wahrscheinlich passen.

Für die Sechs- bis Dreizehnjährigen von heute dagegen gehört der Computer zum Alltag. Neben Fernsehen und Lesen machen Gameboy-, Playstation- und Computerspiele einen großen Teil ihrer häuslichen Freizeitgestaltung aus. Das ergab die Studie „Kinderwelten 2002 - Freizeit und Medien im alltäglichen Erleben von Kindern“, die im vergangenen Jahr von Super RTL und dem Werbezeitenvermarkter IP Deutschland vorgelegt wurde.

Medienkindheit als Herausforderung

Vor allem für die Grundschulen stellt das Phänomen „Medienkindheit“ eine zukünftige Herausforderung dar, meint die Deutschdidaktikerin Petra Wieler, die an der Freien Universität (FU) Berlin im Bereich Grundschulpädagogik für das Deutsch zuständig ist. Zwar wolle man die Faszination der Kinder für die neuen Medien gerne für didaktische Zwecke nutzen. Die Lehrer seien sich jedoch oft noch unsicher, wie sie eine bestimmte Software oder das Internet zielgerichtet in den Stundenablauf integrieren sollten.

Vor allem wenn es um die Leseförderung der Kinder ginge, würden viele schnell wieder auf das altbewährte Medium „Buch“ und konventionelle Lehrkonzepte zurückgreifen. Regelmäßige Fortbildungsangebote und eine bessere Verzahnung von Wissenschaft und Praxis in der Pädagogenausbildung könnten Abhilfe schaffen, glaubt Petra Wieler.

Sie selbst führt in verschiedenen Grundschulen ein Projekt zur Medienrezeption von Kindern durch, das zeigen soll, ob und wie die Schüler durch die neuen Medien auch an die Schriftkultur herangeführt werden können. Sowohl im Unterricht als auch in ihren Familien wurden die Grundschulkinder von Wieler und ihrem Team beim Umgang mit dem PC beobachtet.

In der zweiten Klasse der Kreuzberger Otto-Wels-Grundschule stand der Deutschunterricht beispielsweise ganz im Zeichen von „Sams“, der Figur einer erfolgreichen Kinderbuchreihe. Gemeinsam las man aber nicht nur das Buch „Eine Woche voller Samstage“, sondern sah auch den Film und arbeitete mit der dazugehörigen Software. In dem Computerspiel müssen die Kinder zu jedem Wochentag eine Aufgabe lösen, die sich an den Inhalten der Geschichte orientiert.

„Die verschiedenen Lernkanäle boten den Kindern ganz andere Zugänge zur Sprache“, erzählt Klassenlehrerin Brunhilde Focke, die im Kreuzberger Schulalltag mit einer großen sprachlichen und sozialen Heterogenität innerhalb der Klassengemeinschaft umzugehen hat. „Durch die visuellen Eindrücke des Films und der CD Rom wurden den Kindern die Charaktere der Geschichte besser verdeutlicht und sie waren viel eher bemüht, ihre Eindrücke sprachlich exakt zu formulieren.“

In einem Schreib-Begleitheft produzierten die Schüler dann auch eigene Geschichten rund um das „Sams“. Diese Texte seien sprachlich auf einem sehr viel höheren Niveau gewesen, als sie das von Zweitklässlern sonst gewohnt sei, sagt Focke. Petra Wieler sieht sich durch die Ergebnisse in ihrer Annahme bestätigt, dass „erst die Versprachlichung“ von Computererfahrungen diese auch produktiv macht“. Erst wenn die Kinder ihre virtuellen Erlebnisse auch in Worte fassen müssten, könnten diese auch der Förderung von Sprach-, Schreib- und Lesekompetenzen nützlich sein. Die Pädagogin konnte beobachten, wie die Arbeit mit dem Computer die Kinder motivierte und wie sehr sie sich dafür engagierten.

Werbung für das Buch

Trotzdem habe der Rechner dem Buch nicht den Rang abgelaufen. Stattdessen zeigte sich, dass einige Schüler erst durch die Software neugierig auf das Buch wurden. Petra Wieler schreibt dies nicht zuletzt auch dem großen Interesse und der Anteilnahme der Eltern zu. Wenn die Eltern dem vom Kind favorisierten Medium Computer so aufgeschlossen gegenübertreten, überlegt sich offensichtlich manches Kind die Sache mit dem Buch auch noch einmal.

In der Reihe „Lieber Lesen“ berichten wir über Ansätze zur Leseförderung. Bereits erschienen: „Von da an war die Welt ganz groß – ab wann dürfen, sollen Kinder lesen lernen?“ (30.April) .

Franziska Garbe

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