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Gesundheit: Sars vom Tierhändler

Träger des Virus ist die Zibetkatze – auf den Märkten wird der Erreger verbreitet

Ist ein possierliches Tier mit dem Namen Paguma larvata die Quelle des Sars-Erregers? Einiges spricht dafür, dass die Zibetkatze mit den markanten Gesichtsstreifen der Ausgangspunkt der weltweiten Epidemie ist. So wiesen Wissenschaftler in zahlreichen dieser Tiere just jenes Coronavirus nach, das beim Menschen die atypische Lungenentzündung hervorruft. Zu 99 Prozent ist der Erreger mit Viren identisch, die aus kranken Patienten isoliert wurden. Genauer können genetische Fingerabdrücke von Krankheitserregern kaum übereinstimmen.

Unklar war bislang nur, wie das Virus die Artenschranke hat überspringen können. Die Spekulation, dass dabei kulinarische Gewohnheiten der Bevölkerung von Guangdong – wo nachweislich die Epidemie ausbrach – die entscheidende Rolle spielten, konnte jetzt bestätigt werden.

Wissenschaftler des Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention der Provinz Guangdong haben in Blutproben verschiedener Bevölkerungsgruppen nach Antikörpern gegen das Sars-Virus gesucht und stießen dabei auf bemerkenswerte Unterschiede.

Während nur 1,2 Prozent der gesunden Erwachsenen Marker eines vorausgegangenen Kontakts mit dem Erreger aufwiesen – und selbst bei Krankenhauspersonal nur jeder 33ste positiv im Test reagierte – trugen 13 Prozent aller Tierhändler, die auf lokalen Märkten allerlei Animalisches für den Kochtopf anbieten, Antikörper gegen das Sars-Virus. Doch auch innerhalb der zoologischen Marketender gab es gravierende Differenzen: Sieben von zehn Händlern, die sich auf Zibetkatzen spezialisiert hatten, trugen Antikörper. Bei Anbietern von Fasanen oder anderem Wildgeflügel war es nur jeder Zwanzigste. Damit scheint das bislang fehlende Bindeglied der Sars-Epidemie identifiziert: Tierhändler infizieren sich regelmäßig mit dem Erreger und können das Virus unter noch unbekannten Umständen an einen Kunden „weiterreichen“.

Ein bei der Untersuchung zu Tage getretenes Paradox bedarf allerdings weiterer Abklärung. Keiner der insgesamt 16 Zibetkatzenhändler, bei denen Antikörper gefunden wurden, war an Sars erkrankt, und nur zwei der rund 1500 Sars-Patienten aus Guangdong waren professionelle Tierhändler.

Da rund ein Prozent aller gesunden Bewohner von Guangdong Antikörper gegen das Coronavirus aufweist, bedeutet dies hochgerechnet auf die Provinz, dass etwa 800 000 Personen sich irgendwann einmal mit dem Erreger infiziert haben, ohne an Sars zu erkranken. Vorausgesetzt, der von den chinesischen Wissenschaftlern eingesetzte Test ist wirklich spezifisch (sprich: die Antikörpernachweise sind nicht zufällig positiv), so würde sich das Erkrankungsrisiko von Sars gewaltig relativieren.

Sars wäre dann – zumindest für China – nicht ein infektionsmedizinisches Schreckgespenst bisher unbekannter Dimension, sondern in puncto Gefährlichkeit eine der Influenza vergleichbare Erkrankung.

Hermann Feldmeier

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