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Sascha Spoun: "Studenten müssen forschen"

Sascha Spoun, Deutschlands jüngster Präsident, über die Provinzuni der Zukunft

Herr Spoun, mit 37 Jahren werden Sie demnächst der jüngste Unipräsident Deutschlands. Wie oft sind Sie an Ihrer neuen Uni mit einem Doktoranden verwechselt worden?

In der Mensa wurde ich an der Kasse sogar gefragt, ob ich Student sei. Das war allerdings vor meiner Wahl, inzwischen kennen mich die meisten Mitarbeiter.

Sie sind nicht habilitiert. Werden Sie von den Professoren ernst genommen?

Es entscheidet sich eher in der Sachdiskussion, ob man ernst genommen wird. Ich glaube auch, dass in den Hochschulen mehr und mehr nichttraditionelle Karrieren auftreten werden: Durch die Juniorprofessur oder durch die internationale Öffnung, wenn amerikanische Assistant Professoren nach Deutschland kommen. Das sind alles Wissenschaftler, die nicht den Habilitationsritus durchlaufen haben.

Sie kommen aus St. Gallen. Die Uni ist in der Schweiz als Kaderschmiede für Juristen und Ökonomen bekannt. Warum wechseln Sie jetzt an die Provinzuni Lüneburg?

Ich hatte mich nicht beworben, sondern bin von Klaus Landfried vorgeschlagen worden, dem ehemaligen Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz. Ich habe lange überlegt, ob der Wechsel sinnvoll ist. Es ist eine sehr große Herausforderung, so jung eine so schwierige Aufgabe in Angriff zu nehmen.

Ein großer Einschnitt wird im Wintersemester die Einführung von Studiengebühren sein. 500 Euro pro Semester müssen Studenten dann in Niedersachsen zahlen. In der Schweiz bekommen die Unis mehr. Reichen Ihnen 500 Euro?

Ob die Studiengebühren ausreichen, ist weniger eine Frage der Höhe als eine der staatlichen Grundfinanzierung. Da gerät Deutschland ins Hintertreffen. Im Vergleich mit anderen Ländern investiert Deutschland viel weniger in die Universitäten. Das können Sie auch mit einem Vielfachen an Gebühren nicht aufholen.

Studierende, die die Gebühren nicht sofort zahlen können, müssen einen Studiengebührenkredit aufnehmen. Mit Zinsen könnten die Gebühren doppelt so teuer werden. Wird dieses Modell funktionieren?

Man könnte es günstiger haben. In den USA sind solche staatlichen Kredite zum Teil zinslos. Dort hat sich die Bundesregierung stark mit einem Kreditprogramm engagiert. Die Frage ist: Sind dem Bund Bildungsinvestitionen wichtiger, oder Erhaltungssubventionen für Landwirtschaft und Bergbau? In Deutschland scheint Letzteres höhere Priorität zu haben.

Für die Lebenshaltungskosten bieten seit neuestem einige private Banken und die staatliche KfW-Bankengruppe Studienkredite an. Was halten Sie davon?

Die Geschäftsbanken nehmen acht Prozent, das ist ein sehr hoher Zinssatz. Der Kredit der KfW-Bankengruppe ist mit über fünf Prozent gerade noch vertretbar. Gerechtfertigt wäre im internationalen Vergleich eher ein Zinssatz um vier Prozent. Das große Problem ist aber der Mangel an öffentlichen und privaten Stipendien. Dieser Mangel könnte viele Jugendliche hemmen, ein Studium aufzunehmen.

Sie sind Betriebswirtschaftler. Warum sind viele Unternehmen mit neuen Stipendienprogrammen so zurückhaltend?

Das kurzfristige Denken hält in Unternehmen Einzug, am schlimmsten in der Form von Quartalsbilanzen. Alle drei Monate müssen sie gegenüber dem Kapitalmarkt berichten: Was war der Ertrag? Das verhindert jeden mittel- und langfristigen Potenzialaufbau. Stipendien fallen diesem reduzierten Denken zum Opfer.

Die Hochschullandschaft steht vor einem Umbruch. Wie kann eine kleine Uni wie Ihre, die nicht im Elite-Wettbewerb reüssiert, verhindern, an den Rand gedrängt zu werden?

Wir müssen die neuen Spielregeln für Universitäten schneller begreifen als die großen Unis, wenn wir überleben wollen. Es geht um Kompetenz, Attraktivität und Reputation. In einer kleinen Uni kann man die nur in wenigen Feldern aufbauen. Bei uns wären das in jedem Fall Pädagogik, Unternehmertum und Umwelt.

In St. Gallen waren Sie als Delegierter des Rektorats für eine Studienreform zuständig. Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Idealerweise müssen Studierende auch im Bachelor-Studium selbstständig forschend lernen. In Deutschland läuft es derzeit allerdings darauf hinaus, dass das Bachelor-Studium allein auf das Abhaken und Sammeln von Credit Points ausgerichtet ist. Das muss man verhindern. Man muss auch so ehrlich sein und fragen: Mit welchen Voraussetzungen kommen die Studierenden überhaupt an die Uni? Wir müssen zu Studienbeginn die Voraussetzungen akademischen Arbeitens erstmal systematisch entwickeln.

Wie soll das gelingen?

Wir haben in St. Gallen ein erstes gemeinsames Jahr für alle Studienanfänger. Die Leute kommen und träumen davon, Manager zu werden. Im ersten Jahr haben sie aber nur 20 Prozent Betriebswirtschaft. Es ist wichtiger, den Studenten verschiedene Denkansätze und Methoden beizubringen. Auch später müssen Studenten ein Viertel des Pensums außerhalb ihres Faches absolvieren: Sie beschäftigen sich mit Literatur und Kultur, Geschichte, Soziologie und Psychologie. Ich hoffe, auch in Lüneburg deutlich machen zu können, warum wir uns als kleine Uni mit einem überlegenen Studienmodell von anderen absetzen müssen.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

SASCHA SPOUN (37) tritt am 1. Mai sein neues Amt als Präsident der Universität Lüneburg an. Bisher lehrte der gebürtige Schweizer Betriebswirtschaftslehre in Sankt Gallen.

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