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Gesundheit: Schluckt Kröten

Unis und Gewerkschaften: Scheitern die Tarifverhandlungen?

Showdown zwischen verhärteten Fronten: Am morgigen Dienstag gehen die Tarifverhandlungen für die Angestellten an den Berliner Hochschulen in die letzte Runde. Nach bislang vier Verhandlungstagen gibt es noch kein greifbares Ergebnis. Wolfgang Bröker, der Kanzler der Technischen Universität, hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der sich am Berliner Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst orientiert. „Wir wollen endlich zu einem Abschluss kommen, damit ab Anfang Januar ein neuer Tarifvertrag greifen kann“, sagt er. „Aber vorher müssen die Hochschulen und die Gewerkschaften noch einige Kröten schlucken.“

Weniger Arbeit, weniger Gehalt

Vor über einem Jahr hatten die Berliner Hochschulen den Arbeitgeberverband verlassen, mit Ausnahme der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW). Sie müssen nun mit den Gewerkschaften einen neuen Vertrag aushandeln. Als Vorbild dient der Berliner Tarifabschluss, mit dem das Land vor allem Kosten sparen wollte. Die Angestellten arbeiten im Durchschnitt zehn Prozent weniger und erhalten dafür zehn Prozent weniger Gehalt. Wer möchte, kann Arbeitszeit in einem Lebensarbeitszeitkonto ansparen, um eher in Rente zu gehen, mal ein Jahr auszusetzen oder eine andere Auszeit zu nehmen. „Abweichungen vom Berliner Tarifabschluss sind mit den Gewerkschaften nicht zu machen“, sagt Wolfgang Bröker. „Unsere Linie ist es, für die Belange der einzelnen Hochschule flexible Mechanismen vorzusehen. Es gibt Hochschulen, die haben mehr Teilzeitbeschäftigte. Einige Hochschulen haben eine Personalstruktur, in denen sich BAT-Ost und BAT-West mischen. Auch der Anteil der Drittmittelbeschäftigten ist verschieden.“ Diese Flexibilisierung will die Gewerkschaft aber nicht mitmachen. „Mehr Kröten als den Berliner Tarifabschluss schlucken wir nicht“, warnt Ilse Schaadt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Klartext: Die Zeichen stehen auf Scheitern. Dann steht den Hochschulen und Gewerkschaften ein neuer Marathon bevor: Verhandlungen um Haustarifverträge.

Die Humboldt-Universität hat die Phalanx der Hochschulen bereits verlassen. Vizepräsident Frank Eveslage verhandelt nun mit Gewerkschaftsvertretern in seinem Haus über die Gehälter. „Wir können diesen Tausch Gehalt gegen Freizeit in der Größenordnung von zehn Prozent nicht mitmachen, weil wir dann den Hochschulbetrieb gefährden“, sagt er. „Wir hatten mit der Freien Universität gemeinsam vorgeschlagen, das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld zu streichen. Übrig blieben ungefähr zwei bis zweieinhalb Prozent weniger Arbeitszeit und Gehalt. Das wollten aber die Gewerkschaften nicht.“

Für die rund 3000 Angestellten der HU wird es wohl zu einer solchen Regelung kommen. Ihre wöchentliche Arbeitszeit, viele haben Verträge nach BAT-Ost, könnte von 40 auf rund 38 Stunden fallen. Die Lebensarbeitszeitkonten wird es an der HU nicht geben. „Sie sind bürokratischer Schwachsinn“, kritisiert Eveslage. „Nur für ihre Verwaltung müsste ich zusätzliche Leute einstellen.“ Da die HU vielen Mitarbeitern nur BAT-Ost zahlt, hat sie es auch in anderer Hinsicht leichter als die Hochschulen im Westteil der Stadt: „Im BAT-Ost gibt es die Regelung nicht, dass jemand nach 15 Jahren im Dienst der Hochschule unkündbar wird“, erklärt der Vizepräsident. „Deshalb sind betriebsbedingte Kündigungen bei uns eher möglich.“

Nicht auf die Uhr schauen

Die FU hält sich noch bedeckt. Zwar gehört sie weiterhin der Verhandlungsrunde für die übrigen Berliner Hochschulen an. Wegen des harten Widerstandes der Gewerkschaften und der Uneinigkeit zwischen den Hochschulen hatte FU-Kanzler Peter Lange im Oktober jedoch die Verhandlungsführung für die Arbeitgeberseite niedergelegt.

Für viele Wissenschaftler gerät das Gezerre um Freizeit und Gehaltsprozente zur Farce. In einem offenen Brief haben sich die Leiter von zwölf Nachwuchsgruppen der TU an ihr Präsidium gewandt. „Wir befürchten erhebliche Nachteile im Vergleich zu anderen Bundesländern“, erläutert Jörg Liesen, Mathematiker an der TU. „Wenn der Berliner Tarifabschluss für alle Angestellten gelten soll, können wir kaum noch Leute nach Berlin holen.“ In der Regel arbeiten die Wissenschaftler in der Woche zwischen 50 und 60 Stunden. „Wer eine Forscherkarriere anstrebt, schaut nicht auf die Uhr“, sagt Liesen. „Deshalb geht der Gehaltsverzicht gegen Freizeit völlig an unseren Realitäten vorbei."

Die Verhandlungen im Internet:

www.gew-berlin.de

Heiko Schwarzburger

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