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Gesundheit: Schön kompliziert – und nützlich Freie Universität eröffnet Sonderforschungsbereich Ästhetik

„Man müsste alle Fahnen hochziehen, derer man nur habhaft werden kann.“ Sieben Millionen Euro fließen an die Freie Universität, ein seltenes Ereignis in der Krisenzeit.

„Man müsste alle Fahnen hochziehen, derer man nur habhaft werden kann.“ Sieben Millionen Euro fließen an die Freie Universität, ein seltenes Ereignis in der Krisenzeit. FU-Präsident Peter Gaehtgens scheut da keine starken Worte, um seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Elf Fächer, darunter Kunstgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft haben sich zusammengetan und einen neuen Sonderforschungsbereich gegründet, Nummer 626, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft: „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“, so der Titel des Projekts. 20 wissenschaftliche Mitarbeiter wurden eingestellt, drei Projektbereiche definiert, elf Teilprojekte entworfen. Ab Juni werden alle Mitarbeiter in die ehemalige Direktorenvilla des Botanischen Gartens in Dahlem ziehen. Dort wird dann, außerhalb des regulären Lehrbetriebs, an den Teilfragen zum Thema geforscht: der Geschichte und systematischen Einordnung ästhetischer Erfahrung.

E oder U – kein Unterschied?

„Es ist gar nicht so leicht zu erklären, was wir da genau machen“, gibt der Kunsthistoriker und Sprecher des Sonderforschungsbereichs Werner Busch zu. Ein Blick in die jüngste Entwicklung der Geisteswissenschaften hilft. Statt nur die einzelnen Künste näher zu betrachten, forschen heute viele Wissenschaftler an einer allgemeinen Kulturgeschichte. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Disziplinen wie Literatur, bildender Kunst oder Film spielen darin nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Vorteil: Die in der Moderne immer durchlässigeren Grenzen zwischen den einzelnen Künsten müssen nicht mehr mühsam definiert oder künstlich aufrecht erhalten werden. Die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik wird genauso hinfällig wie die Einordnung von Konzept- oder Internetkunst in eine bestimmte Kunstform. Die allgemeine Kulturgeschichte habe jedoch einen großen Nachteil, erklärt Busch: „Die besondere Qualität der ästhetischen Erfahrung jeder einzelnen Kunst geht verloren.“ Bestimmte Fragen werden auf einmal nicht mehr gestellt, zum Beispiel: Wie nehmen wir ein klassisches Musikstück wahr? Wie funktioniert ein Video?

Der Sonderforschungsbereich will diesen sich auflösenden Grenzen zwischen den einzelnen Künsten Rechnung tragen – daher die Rede von der „Entgrenzung der Künste“. Zugleich aber geht es den Forschern um die grundsätzlichere Frage, ob es so etwas wie ästhetische Erfahrung überhaupt gibt und worin sich das ästhetische Erleben für verschiedene Kunstformen unterscheidet.

Nützliche Selbstreflexion

Meist finanziert die DFG naturwissenschaftliche Sonderforschungsbereiche, doch Nr. 626 ist der zweite geisteswissenschaftliche in Berlin. Geld für Fächer, die laut Finanzsenator Sarrazin, „weniger relevant sind für den Standort und nicht zu den produktiven gehören“? „Wir schaffen tatsächlich kein verkaufbares Produkt“, sagt Busch. Die Vorstellung jedoch, Kunst- oder Geisteswissenschaften könnten weniger relevant sein, hält er für abwegig. Dem Sonderforschungsbereich geht es um die Reflexion auf das eigene Tun: Wo liegen die Kernkompetenzen einzelner Fächer, wo ist isolierte Forschung sinnlos? Die Antworten könnten Methoden geisteswissenschaftlicher Forschung beeinflussen – kein kleines Projekt.

Sibylle Salewski

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