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Gesundheit: Seminararbeiten: Die Hälfte aller Hausarbeiten wird nie zu Ende gebracht - Tipps für erfolgreichere Semesterferien

Das Semester geht, die Arbeit kommt. Das Sommer-Reiseziel vieler Studenten ist nicht etwa ein Adria-Strand, sondern der heimische Computer.

Das Semester geht, die Arbeit kommt. Das Sommer-Reiseziel vieler Studenten ist nicht etwa ein Adria-Strand, sondern der heimische Computer. Denn ohne Hausarbeit, auch Seminar- oder Belegarbeit genannt, gibt es oftmals keinen Schein. Doch viele scheitern kurz vorm Ziel: "Fünfzig Prozent aller Hausarbeiten werden nie abgeschlossen", schätzt die Sozialwissenschaftlerin Petra Stykow von der Humboldt-Universität. Und die Psychologin Edith Püschel von der FU-Studienberatung bekräftigt: "Die meisten Studenten wissen zwar, dass Hausarbeiten in der Uni was anderes sind als in der Schule. Wie anders, wissen sie nicht."

Um diese grundlegende Frage zu klären, führen sowohl Stykow als auch Püschel Kurse durch, in denen verunsicherte Studenten lernen, wie sie die Hürde meistern können. Stykows Feriendevise für hausarbeitsgeplagte Studenten lautet: Wenn schon nicht Spaß am Strand, dann wenigstens Spaß bei der Seminararbeit. "Studenten sollen nicht unter ihrer Arbeit leiden", empfiehlt sie, denn: "Wenn ich ohne Lust an die Sache herangehe, ist der Misserfolg bereits da." Eine Fragestellung, für die sich nicht nur der Professor, sondern auch der Student begeistern könne, ist ihrer Meinung nach die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Hausarbeit.

Seit drei Jahren beschäftigt sich Stykow in damit, wie sie Studenten die Angst vor der Seminararbeit nehmen kann. Zwei Typen, so ihre Beobachtung, laufen beim Verfassen Gefahr zu scheitern: Der Perfektionist ("Die können nicht aufhören") und der Student, der sich falsch einschätzt ("Die kriegen es nicht hin, eine wissenschaftliche Frage zu formulieren"). Stykow hat zehn Todsünden ausgemacht, die den Schreiberfolg schwierig machen, und genauso viele Ratschläge aufgestellt, die einen Fehlschlag verhindern. Ein Ratschlag lautet: Einschränken des Themas. Wer sich mit Max Weber beschäftigt, bearbeitet also besser einen kleinen Aspekt zu einem Nebenwerk, als dass er den Versuch startet, das Gesamtwerk neu zu interpretieren. Weiterhin wichtig: Der berühmte rote Faden in der Gliederung der Arbeit. "Viele denken: Es stört nicht, wenn ich barocke Schnörkel in meiner Arbeit habe. Das ist leider falsch." Der roten Faden, wenn er denn gefunden ist, könne ruhig ab und zu wieder aufgedröselt und neu gestrickt werden - nur verloren gehen dürfe er nie.

Wenn diese Anfangsschwierigkeiten gemeistert sind und es ans Lesen und Schreiben geht, gilt: Immer am Thema bleiben. Bücher sind nicht von der ersten bis zur letzten Seite zu exzerpieren, sondern auf die eigene Fragestellung hin zu untersuchen. Passt das letzte Drittel eines Buches nicht zum Thema, darf das Werk ruhigen Gewissens beiseite gelegt werden. Das Auswerten von neuen Lexikon- und Überblicksartikeln hilft, überflüssige Arbeit zu vermeiden: "Literatur, die seit fünfzig Jahren im Schrank verstaubt, will keiner mehr lesen."

Für das Schreiben räumt Stykow mit mehreren Vorurteilen auf. Statt des meistens gepredigten "Erst denken, dann schreiben" stimme vielmehr "Schreiben ist denken", denn Gedanken verfestigen sich oft erst während der Niederschrift. Auch sei keiner ein Versager, der nicht gleich beim ersten Mal eine druckreife Version zustande bringt: "Erst ein achtmal überarbeiteter Text ist ein richtig guter Text." Und schließlich ein Tipp in eigener Dozentensache: "Viele Dozenten neigen dazu, Schludrigkeiten als Unhöflichkeiten ihnen gegenüber zu deuten. Deswegen sollte man zum Schluss immer die Rechtschreibprüfung des PCs durchlaufen lassen."

Der Bedarf für spezielle Schreib-Kurse ist groß, meint Edith Püschel von der FU-Studienberatung. "Die Kultur, handwerkliche Aspekte zu besprechen, existiert an der Uni nicht", kritisiert sie und sattelt noch eins drauf: Die Tatsache, dass viele Studenten an ihren Seminararbeiten scheitern, sei ein "Tabu-Thema" an der Uni. Zum Abbau dieses Tabus trifft Püschel sich einmal wöchentlich mit Studenten, die mit ihr Schreibprobleme diskutieren können. Denn schon der Austausch über die Arbeit ist höchst förderlich. "Die meisten Studenten müssten einfach mehr Rückmeldung bekommen." Ansonsten drohe akuter Motivationsverlust.

"Vermeidungszirkus" nennt Hans-Werner Rückert die Folgen von mangelnder Motivation. Putzen, Bügeln, Fernsehen, Abwaschen, Telefonieren - in jedem Studentenhaushalt findet sich genügend Ablenkung vom Hausarbeiten Schreiben. Schnell sind die Semesterferien um, und noch immer ist keine Zeile zu Papier gebracht. Rückert kennt als Leiter der Studienberatung der FU viele Studenten, die einen Hausarbeitenstau von mehreren Semestern mit sich herumtragen. Die Folge: Manche Studenten gehen nicht mehr in die Veranstaltungen von Dozenten, denen sie noch eine Arbeit schuldig sind. Andere wiederholen Lehrveranstaltungen, obwohl sie die Studienleistung eigentlich schon erbracht haben. "Und dann geht das Theater von vorne los", weiß Rückert. Er hat extra ein ganzes Buch darüber geschrieben, wie man die "ewige Aufschieberei" vermeiden kann. Sein Tipp: Vor den Semesterferien einen genauen Zeitplan aufstellen, und der sollte dann eingehalten werden.

Wenn trotz aller Ratschläge manchmal der Schreibfluss stockt, Rauchschwaden den Blick auf den Bildschirm vernebeln und auch der Kaffee nicht mehr schmecken will, ist das kein Grund zur Panik. "Schreibstörungen sind ganz normal. Schreiben ist nicht Blumenumtopfen", tröstet Püschel. Und Stykow weist darauf hin: "Immer bedenken: Es handelt sich nur um Hausarbeiten."

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