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Gesundheit: Sinkt Bayerns Stern?

Lehrer im Land des Pisa-Siegers schlagen Alarm

Verspielt Bayern seine Spitzenstellung bei Pisa? Das befürchten jedenfalls die Gymnasiallehrer des Landes. Die Schulen hätten zu wenig Geld, zu wenig Lehrer und mit dem achtjährigen Gymnasium auch noch die falschen Rahmenbedingungen. Der Aufstieg in die Liga der Weltbesten jedenfalls, den Ministerpräsident Edmund Stoiber anpeilt, sei so auf keinen Fall zu machen: „Unter den jetzigen Voraussetzungen muss Bayern froh sein, wenn es dauerhaft wenigstens seinen nationalen Spitzenplatz verteidigen kann“, sagt Max Schmidt, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, der Interessenvertretung der Gymnasiallehrer.

Seit Monaten verursacht die Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium auf acht Jahre Wirbel unter Bayerns Schülern, Lehrern und Eltern. Auch Schmidt glaubt, dass damit die Bildungsqualität nur noch schwer zu halten ist. „Der Fachunterricht hat schon jetzt deutliche Verluste erlitten“, klagt er. Dabei sei der Stundenplan an bayerischen Schulen noch immer dichter gepackt als in allen anderen Bundesländern, die das Abitur verkürzt haben. Gleichwohl lautet Schmidts Prognose: Mit den bayerischen Pisa-Ergebnissen werde es bergab gehen – wenngleich sich das frühestens bei der übernächsten Erhebung zeigen werde: „Für die nächste Studie werden noch die Schüler befragt, die nach den alten Plänen unterrichtet werden.“

Der Philologenverband fordert deshalb eine massive Aufstockung des Lehrpersonals. Mindestens 2000 neue Planstellen für Lehrer würden allein an den Gymnasien benötigt, um das jetzige Niveau zu halten. „Wir haben inzwischen alle Sparpotenziale ausgeschöpft. Die Stundenzahl für die Lehrer ist zum Beispiel gleich zweimal angehoben worden. Jetzt helfen nur noch Neueinstellungen“, sagt Schmidt.

In diese Kerbe schlägt auch die SPD. Ihre Rechnung: Bayern gibt nur zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus, der deutsche Durchschnitt liege bei 2,3 Prozent – eine Differenz von 1,3 Milliarden Euro, so Hans-Ulrich Pfaffmann, Bildungsexperte der SPD. Übervolle Klassen und ein Unterrichtsausfall von beinahe zehn Prozent seien die logischen Konsequenzen. Die SPD will deshalb den Geldhahn für die Schulen weit aufdrehen und nennt dieses Projekt kühn „Bildungsmilliarde“.

Im Kultusministerium schüttelt man über diese Vorstellungen nur den Kopf. Man stelle im laufenden Jahr bereits 4300 Lehrer quer durch alle Schulformen ein. Die ersetzten zwar vor allem pensionierte Vorgänger, aber beim aktuellen Sparzwang verbiete sich eine ernsthafte Diskussion um die Bildungsmilliarde, sagt ein Sprecher: „Wir haben das Geld einfach nicht.“

Für die SPD geht es aber um weit mehr als um neue Lehrerstellen. In keinem anderen Bundesland gibt es so eine steile Vorlage zum Grundsatzdiskurs – in Bayern prallen die verschiedenen Schul-Ideologien ungebremst aufeinander. „In Bayern ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem erreichten Bildungsabschluss unübersehbar“, wettert Hans-Ulrich Pfaffmann und fordert das genaue Gegenteil vom CSU-Programm: Eine längere Grundschulzeit von sechs Jahren müsse her, damit man den Kindern nicht schon zu früh Chancen verbaue.

Aber für Bayern sehen die Ergebnisse der ausländischen Schüler immer noch besser aus als in vielen anderen Bundesländern. So zuckt man im Kultusministerium gelassen mit den Schultern. Die Pisa-Bilanz spreche eindeutig für den eingeschlagenen Kurs: Bayern ist in Deutschland bei allen untersuchten Bereichen – Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften, Problemlösen – wieder auf Platz eins und jetzt auch international in die Spitzengruppe aufgerückt. Gerade vor ein paar Tagen hat Kultusminister Siegfried Schneider von der CSU genüsslich verkündet: „Es hat sich als richtig erwiesen, gegen den Zeitgeist der Alt-68er an Werten wie Leistungsbereitschaft, Disziplin, Ordnung und Freude an der Übernahme von Verantwortung festzuhalten.“ Bayern ist nun einmal spitze – vorerst.

Kilian Kirchgeßner

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