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Gesundheit: Sparen, bis der Arzt kommt

Augenlaserbehandlung, Brustvergrößerung oder Zahnersatz: Was die Krankenkasse nicht zahlt, gibt es im Internet häufig billiger. Kritiker warnen vor der Kommerzialisierung der Medizin durch die Internetportale. Viele Patienten sind dennoch zufrieden

Gleich drei Ärzte interessieren sich für die Zähne von Stefanie Pirkler. Die findet ihre Beißer etwas zu braun und möchte sie bleichen lassen – für möglichst wenig Geld. Höchstens 300 Euro will die 27-jährige Studentin aus Potsdam für ihr aufgehübschtes Lächeln zahlen. Auf den Internetseiten von „arzt-preisvergleich.de“ unterbieten sich drei Spezialisten gegenseitig. In die Rubrik „Was soll der Arzt noch über mich wissen?“ schreibt Stefanie frech: „Ich bin kein Dukatenscheißer.“ Das haben die Doktoren verstanden, die per Mausklick um die Patientin kämpfen. Nach zehn Tagen steht fest: Ein Zahnarzt aus Berlin bekommt den Auftrag. Lediglich 110 Euro berechnet er für das Bleaching. Allerdings hat sich Stefanie Pirkler nicht das günstigste Angebot ausgesucht, sondern den Arzt, der auf sie am seriösesten wirkte. Denn bei den Internetauktionen für ärztliche Leistungen ist der Patient nicht verpflichtet, das billigste Angebot anzunehmen. Und er kann die Behandlung am Ende auch ganz ablehnen.

Auf den ersten Blick sind Seiten wie „2te-zahnarztmeinung.de“ oder „arzt-preisvergleich.de“ aufgebaut wie der Auktionsriese Ebay. Anstelle von Gemälden, Münzen oder Autos werden jedoch zahnärztliche Leistungen wie Kronen, Brücken oder Inlays angeboten. Von Massagen über gynäkologische Behandlungen bis hin zu Hormontherapien bei unerfülltem Kinderwunsch finden sich zahlreiche weitere Rubriken. Der größte Anbieter ist die Medikompass GmbH mit Sitz in München. Sie betreibt neben arzt-preisvergleich.de auch zahngebot.de und schoenheitsgebot.de.

Bis zu 40 Prozent des regulären Preises können Patienten laut Medikompass hier sparen. Das nutzen sie vor allem bei zahnärztlichen Leistungen, die von den Krankenkassen gar nicht oder nur zum Teil bezahlt werden.

Der Preisvergleich funktioniert wie eine Top-down-Auktion: Der Patient trägt ein, was er höchstens zahlen will. In einem festgelegten Zeitraum können Ärzte den Preis unterbieten. Die Ersparnis wird über niedrige Material- und Laborkosten erzielt, wie die Stiftung Warentest herausfand. Beim Honorar gibt es wegen der gesetzlichen Mindestsätze keinen Spielraum. Der Online-Suchservice ist für Patienten kostenlos, die Ärzte zahlen für ihr Profil eine Gebühr.

Der Kölner Augenarzt Otto Georg Maubach zählte zu den Ersten, die online auf Patientensuche gingen. Nur wenige Tage nach dem Start von arzt-preisvergleich.de hatte er sich einen Account eingerichtet. „Pro Woche habe ich fünf bis zehn Lasik-Patienten, etwa die Hälfte kommt von arzt-preisvergleich.de“, sagt er. Als ein Kollege bei Ebay seine Dienste anbot, machte sich auch Maubach Gedanken über die Möglichkeiten im Internet. Der Kollege erhielt eine Rüge der Wettbewerbszentrale. Doch Maubach schätzt die Auswirkungen des legalen Preisvergleiches positiv ein: „Wenn die Preise für Lasik-Operationen sinken, fahren nicht mehr so viele Leute zur Behandlung ins Ausland.“

Verbraucherschützer stehen den „Arzt-Auktionen“ skeptisch gegenüber: „Reine Preisvergleiche reichen nicht aus, es müsste auch etwas über die Qualität ausgesagt werden. Auch sollte man das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht auf die Kosten reduzieren“, sagt Ruth Greiner von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir befürworten eher Vergleiche, die auch Erfahrungsberichte wiedergeben“, erklärt Greiner. „Außerdem kann bis jetzt noch nicht sichergestellt werden, dass die Bewertungen tatsächlich immer von Patienten stammen und vollständig wiedergegeben wurden.“

Dabei haben die Verbraucherschützer gegen Arztvergleiche im Internet grundsätzlich nichts einzuwenden, da sie den Wettbewerb fördern und den Patienten helfen, ein Gefühl für Preise von ärztlichen Behandlungen zu entwickeln. Das findet auch der Geschäftsführer von arzt-preisvergleich.de Claudius Schikora: „Mit unserem Portal ist es erstmals möglich, Transparenz im Gesundheitswesen zu schaffen und die Kosten bei gleich bleibend hoher Qualität zu senken.“ Zudem seien in seinem Portal ausschließlich Ärzte und Therapeuten mit Praxissitz in Deutschland registriert.

Doch viele Ärzte sind gegen das „Preis-Dumping“ im Internet. Derzeit läuft eine Klage der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern gegen die Mojo GmbH, Betreiber von 2te-zahnarztmeinung.de. In erster Instanz verlor das Internetportal, doch Mojo ging in Berufung. Eine endgültige Entscheidung wird wohl der Bundesgerichtshof fällen müssen. Mojo-Geschäftsführer Holger Lehmann ist aber zuversichtlich, dass diese „zugunsten des Wettbewerbs“ ausfallen wird.

Sascha Rudat, Pressesprecher der Berliner Ärztekammer, befürchtet, dass Mediziner in Preisvergleichsportalen immer stärker in die Nähe von Kaufleuten rücken, die eine beliebige Ware anbieten. „Und genau das ist Gesundheit nicht. Eine Geiz-ist-geil-Mentalität kann bei medizinischen Eingriffen fatale Folgen haben“, sagt er. Die Aufklärung bleibe hierbei nämlich oft auf der Strecke.

Sebastian Wieschowski

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