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Infarkt

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Statistik: Infarkt – nun tickt die Uhr

Bei einer Herzattacke hängt alles davon ab, dass die betroffenen Personen rasch in die Klinik kommen. Heute sterben neun Prozent der dort eingelieferten Patienten. Vor 20 Jahren waren es noch fast 16 Prozent.

280.000 Menschen bekommen jedes Jahr in Deutschland einen Herzinfarkt. 60.000 sterben daran – die meisten von ihnen sind noch nicht in einem Krankenhaus, wenn es passiert. Das ist tragisch, denn wer rechtzeitig in die Klinik kommt, hat heute deutlich bessere Chancen, einen Infarkt zu überleben als noch vor wenigen Jahrzehnten. Neun Prozent der Patienten, die mit einem Infarkt in eine Klinik kommen, sterben heute dort. Vor 20 Jahren waren es, wie das „Monica“-Projekt, eine Datensammlung aus der Region Augsburg, zeigte, noch fast 16 Prozent, noch zehn Jahre früher waren es nahezu 30 Prozent.

Die neuen Zahlen wurden jetzt in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Band 132, Heft 30, S. 1559) veröffentlicht. Sie stammen aus einem Register namens „Sami“ (für: Secondary Prevention after Myocardial Infarction), einer bundesweiten Studie, für die Daten von insgesamt 5353 Patienten aus 79 Kliniken ausgewertet wurden.

Die besseren Überlebenschancen sehen die Mediziner vor allem darin begründet, dass die Gefäße schnell wieder durchlässig gemacht wurden. Denn je länger ein Herzkranzgefäß verschlossen bleibt, desto mehr Muskelgewebe geht verloren. Durch den Blutpfropf wird ein Teil des Herzmuskels von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten, das Herz kann nicht mehr richtig pumpen.

Verhindern können dies einerseits Medikamente, mit denen das Blut verdünnt und der Pfropf gelöst wird. Neben dieser Thrombolyse setzt sich immer mehr die Therapie mit dem Herzkatheter durch, von den Medizinern kurz PTCA genannt. Für diese „perkutane transluminale coronare Angioplastie“ wird ein dünner, biegsamer Schlauch bis zur Engstelle geführt, an dessen Ende sich ein aufblasbarer Ballon befindet, den der Arzt nun unter Röntgenkontrolle aufbläht, um das Gefäß wieder zu weiten. Der schnelle Einsatz von Thrombolyse oder PTCA ist in vielen Fällen lebensrettend.

Die Auswertung des Sami-Registers brachte noch ein erfreuliches Ergebnis: Auch nach der Entlassung aus der Klinik werden Menschen, die einen Infarkt durchgemacht haben, heute langfristig besser behandelt als noch vor einigen Jahren. Sie erhalten mit größerer Wahrscheinlichkeit wirksame Medikamente, die einem weiteren Infarkt vorbeugen.

Dabei werden dazu vor allem Mittel eingesetzt, die Blutfette und Blutdruck günstig beeinflussen, und solche, die die Blutgerinnung hemmen. Heute bekommen, wie die Studie zeigt, 70 bis 90 Prozent der Infarktpatienten die Mittel, die die Fachgesellschaften zur Vorbeugung eines weiteren Infarkts empfehlen. Wie es ein Jahr nach dem Infarkt damit steht, soll zu Beginn des nächsten Jahres eine Fortsetzungsstudie zeigen.

Das bisherige Fazit: Wer es rechtzeitig ins Krankenhaus schafft, wird heute besser denn je vor dem Tod durch diesen oder einen weiteren Infarkt geschützt. Über 80 Prozent der Betroffenen schaffen es heute innerhalb von zwölf Stunden nach Einsetzen der Symptome in die Klinik. Doch fast 18 Prozent kommen später. Und nur 16 Prozent sind schon weniger als eine Stunde nach den ersten deutlichen Anzeichen des Infarkts in einer Klinik.

Die Zeitspanne vor dem Eintreffen im Krankenhaus sei heute die „Achillesferse in der Behandlung des akuten Herzinfarkts“ sagt der Kardiologe Ulrich Tebbe vom Klinikum Lippe GmbH im westfälischen Detmold und Koordinator des Sami-Registers. Tebbe rät Patienten und Angehörigen, bei starken, anhaltenden Brustschmerzen höchstens eine halbe Stunde zu warten, bevor die Notrufnummer 112 gewählt wird.

„Schon im Notarztwagen kann heute ein EKG geschrieben und die Diagnose gesichert werden. Außerdem ist dort bei Rhythmusstörungen die lebensrettende Defibrillation möglich.“ Auch bei der anschließenden Behandlung in der Klinik und danach sieht die Studie Fortschritte. Damit der Anteil der Menschen weiter sinkt, für die ein Herzinfarkt das Todesurteil bedeutet, muss aber noch beherzter zum Telefon gegriffen werden.

Adelheid Müller-Lissner

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