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Gesundheit: Streifenloser Himmel

Am 11. September kam die Luftfahrt über den USA zum Erliegen, und der Einfluss des Flugverkehrs aufs Klima trat zu Tage

Von Thomas de Padova

Nach den Terroranschlägen am 11. September vergangenen Jahres blieben die Flugzeuge in den USA drei Tage lang am Boden. Ein nie dagewesenes Flugverbot leerte alle Luftfahrtstraßen und -korridore über dem Kontinent. Das Land war gelähmt.

Während des totalen Stopps des Luftverkehrs veränderte auch die Atmosphäre ihr Gesicht. Zwischen dem 11. und 14. September waren am Himmel keine Kondensstreifen zu sehen. Amerikanische Wissenschaftler verfolgten das Wettergeschehen in dieser Zeit genau. Wie sie am heutigen Donnerstag im Wissenschaftsmagazin „Nature“ berichten, haben die Kondensstreifen der Flugzeuge möglicherweise einen stärkeren Einfluss auf unsere Temperaturen als bisher angenommen.

Flugzeuge fliegen in der Regel in einer Reisehöhe von acht bis zwölf Kilometern. In diesen Höhen sind auch die Cirruswolken beheimatet: weiße, schleierartige Gebilde aus Fäden und Bändern.

Die Cirruswolken bestehen aus Eiskristallen. Denn bei den in solchen Höhen vorherrschenden Temperaturen von unter minus 40 Grad gefrieren auch salzhaltige Wassertröpfchen sämtlich zu Eis.

Im wasserdampfhaltigen Abgasstrahl eines Flugzeuges bilden sich solche Eiskristalle in Sekundenschnelle. Zurück bleibt ein heller Kondensstreifen. Er wächst schnell auf einige Kilometer Breite an und kann - je nach Wetterlage und Feuchtigkeit des durchflogenen Gebietes - bis zu 100 Kilometer lang werden.

Bislang ging man davon aus, dass die Kondensstreifen das Wetter nicht sonderlich beeinträchtigen. In Europa zum Beispiel bedecken sie den Himmel wegen des wachsenden Luftverkehrs zwar zunehmend, aber nur zu einem halben Prozent, wie Satellitenaufnahmen nahe legten. Ihr Beitrag sollte daher viel geringer sein als der der Cirruswolken, die den Himmel zu 30 Prozent verschleiern.

Nachts wird’s wärmer

Ähnlich wie die Cirruswolken schwächen auch die Kondensstreifen die Sonneneinstrahlung tagsüber ab. Die Kondensstreifen tragen jedoch auch zum Treibhauseffekt bei: Sie werfen die von der Erde in den Weltraum zurückgesandte Wärmestrahlung wieder zum Boden zurück.

In der Gesamtbilanz ändert sich an den Tagestemperaturen nur wenig. Nachts allerdings führen die Kondensstreifen wegen ihrer ausschließlichen Treibhauswirkung zu einer Erwärmung. Daher würde man bei wachsendem Flugverkehr im Mittel höhere Temperaturen erwarten. Gleichzeitig verringern die Kondensstreifen auch die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht.

Wie stark diese Auswirkungen sind, haben David J. Travis und seine amerikanischen Kollegen von der Universität Wisconsin in Whitewater nun feststellen können. Während des Flugverbots zwischen dem 11. und 14. September 2001 stieg die Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht plötzlich rapide an: um 1,8 Grad Celsius gegenüber den Tagen vor und nach den Terroranschlägen. Das ergaben Messungen an 4000 US-Wetterstationen.

Zur Kontrolle bezogen die Forscher auch die Wetterdaten von jedem dieser Septembertage in den Jahren 1971 bis 2000 in die Studie ein. Die Differenz zwischen Tageshöchst- und nächtlichem Tiefstwert hatte sich noch nie zuvor so schnell verändert.

Die Forscher sehen die Ursache für die unerwartet hohen Temperaturschwankungen in dem Fehlen der Kondensstreifen. Manch anderer Experte bezweifelt allerdings die Aussagekraft einer derart kurzen Messreihe. Das Wetter hat schon oft für ein paar Tage Kapriolen geschlagen und Wissenschaftlern einen Streich gespielt – warum nicht auch in diesem Falle?

Die Daten sind vielleicht tatsächlich nicht mehr als ein kleiner Puzzlestein in einem viel größeren Bild. Aber sie passen gut zu einer sich langsam ändernden Gesamtschau. Denn die Kondensstreifen der Flugzeuge scheinen auch die Entstehung von Cirruswolken voranzutreiben.

Wachsende Eiswolken

Bereits im Oktober 1999 veröffentlichte der französische Atmosphärenforscher Olivier Boucher ebenfalls im Fachblatt „Nature“eine Studie, derzufolge die Schleierwolken in den viel befahrenen Luftstraßen häufiger sind. Seine Messungen aus den Jahren 1982 bis 1991 zeigten auch, dass die Eiswolken in diesen Gebieten eine größere Fläche einnehmen.

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen haben diese Zunahme der Bewölkung nun auch auf neueren Satellitenbildern beobachtet. Auf diesen Fotos zeigen sich nicht die linienförmigen, zwei bis vier Kilometer breiten Kondensstreifen, die wir auch vom Boden aus erkennen. Es sind stattdessen sehr breite, zehn bis 20 Kilometer weite Kondensstreifen darauf zu sehen.

„Die Aufnahmen zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Luftverkehr und dem Bedeckungsgrad“, sagt Peter Wendling, der die Fernerkundung überwacht. „Es scheint so, als hätte der Flugverkehr einen erheblich größeren Einfluss als erwartet.“

Sollte sich dies bei künftigen Messungen bestätigen, dann könnte der Luftverkehr in künftigen Debatten um den Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Zumal der Flugverkehr schnell wächst, der Treibstoffverbrauch pro Passagier aber nur langsam sinkt.

Auf welche Weise der Luftverkehr die Bildung von Cirruswolken beeinflusst, ist derweil noch Gegenstand der Diskussion. Bei der Verbrennung des Treibstoffs Kerosin entstehen neben Wasserdampf und Kohlendioxid auch Stickoxide, kleinste Sulfatpartikel und Rußteilchen. Feste Körnchen wie Ruß könnten durch Luftbewegungen weit verstreut werden. Sie könnten die Keime sein, auf denen die Eiskristalle schnell heranwachsen – schneller jedenfalls als in Gegenden ohne Flugverkehr.

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