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Gesundheit: Studenten in Unruhe

Nach der Ankündigung eines „Warnstreiks“ sucht die Freie Universität nach Lösungen

„Danke!“ steht auf großen gelben Plakaten, die Studenten der Freien Universität an die Bäume vor die „Silberlaube“ in Dahlem gehängt haben. Ironisch ist das gemeint, denn klein darunter ist zu lesen, wofür die Studenten sich bedanken: für das neue, umstrittene Campus-Management. Die Mail-Adresse des FU-Präsidenten, an den die Dankesbotschaften gehen sollen, ist gleich mitangegeben. „Zwei Millionen sinnvoll investiert“, heißt es sarkastisch auf anderen Plakaten.

Am kommenden Montag soll der einwöchige Warnstreik, den am Dienstag mehrere hundert Studierende beschlossen haben, beginnen. Um zehn Uhr soll es eine Versammlung vor der Mensa in der Silberlaube geben, um 12 Uhr eine Vollversammlung im Hörsaal 1a. In allen Fachbereichen sollen die Studierenden dann Gespräche führen – die Probleme seien überall unterschiedlich, wie Stefan Günther vom Arbeitskreis Hochschulpolitik des FU-Asta sagt. Es gebe aber zwei große Problemzonen: das „Campus-Management“, eine neue Software, mit der die etwa 3500 Bachelor-Studierenden an der FU in diesem Semester erstmals ihr Studium am Computer organisieren sollen, und „die schlechte Organisation“ des Bachelor-Studiums. Aus dem von den Studierendenvertretern angekündigten Protestbesuch beim Akademischen Senat der FU wurde jedoch nichts. Die Mittwochssitzung des Gremiums wurde kurzfristig abgesagt – angeblich wegen des Baulärms im Henry-Ford-Bau, wie die Unileitung bekannt gab.

An der FU stößt man schnell auf Kritiker. Jan, Geschichtsstudent im ersten Semester, sitzt mit seinem Laptop auf einem Flur in der Silberlaube. Seine Vorlesung ist gerade ausgefallen. „Seit ich mich vor sechs Monaten hier angemeldet habe, muss ich von einer Verwaltungsstelle zur nächsten laufen“, schimpft der 18-Jährige. Die Software habe ihn mit einem falschen Nebenfach geführt. Deswegen habe er sich nicht zu seinen Kursen anmelden können. Die FU-Angestellten hätten ihm bei der Lösung des Problems „nicht gerade geholfen“, kritisiert Jan. „Dass man so viel Geld für ein unfertiges Programm ausgibt, und das dann auch noch als große Neuerung feiert, ist mir unbegreiflich.“

Alex,21, hat gerade sein Judaistik-Studium begonnen. Er sagt, seine Kurse seien erst nach und nach frei geschaltet worden. Eine vernünftige Semesterplanung sei so kaum möglich gewesen. Ob er überhaupt die richtigen Kurse gewählt habe, wisse er nicht. „Wenn sich am Ende des Semesters herausstellt, dass ich einen Kurs vergessen habe, ist das eine Katastrophe“, sagt er. Er befürchtet, dass er sich dann Maluspunkte einhandeln und am Studium scheitern könnte. Die Uni-Mitarbeiter wüssten oft selber nicht Bescheid. „Unser Bachelor-Beauftragter hat einmal pro Woche eine Stunde Sprechstunde. Wenn man genau dann einen Kurs hat, hat man Pech gehabt. Wir dürfen schließlich nur zweimal fehlen.“ Antje, 20, sagt, dass ihr bisher niemand erklären konnten, welche Kurse sie in Landeskunde in Spanisch belegen soll.

Die Uni-Verwaltung weist die Kritik an der Software zurück: Sie funktioniere, bestenfalls könne es in Einzelfällen Probleme gegeben haben. Im übrigen gebe es einen „pausenlosen Dialog“ mit den Studierenden, der auch fortgesetzt werde, sagte Werner Väth, Vizepräsident für Lehre, auf Anfrage. Allerdings sei die Kritik an Organisationsproblemen zum Teil berechtigt, räumte Väth ein. Die Überlastung gerade der Lehramtsstudierenden in den Naturwissenschaften sei „eine Zumutung“. So verlange etwa die Physik von den Studienanfängern Mathematikkenntnisse, die die meisten aus der Schule nicht mitbrächten und deshalb in Zusatzangeboten erwerben müssten. Doch diese Mathematikkurse, ohne die die meisten Physikstudierenden das Studium nicht bewältigen könnten, werden nicht auf das Studium angerechnet.

Die von Studierenden kritisierte Überschneidung von Lehrangeboten sei schon im vergangenen Semester „um 80 Prozent reduziert worden“, sagte Väth. Eine Arbeitsgruppe arbeite an den letzten Überschneidungen. Wenn die Studierenden vorgeschriebene Kurse nicht buchen können, müssen sie diese ein Jahr später wiederholen – ein enormer Zeitverlust.

Dieses Problem besteht auch für Bachelor-Studierende an der Humboldt-Universität. Dort hofft man, dass die neue Software, die bald die Studienorganisation übernehmen soll, „Überschneidungen vermeiden hilft“, wie Susanne Baer, Vizepräsidentin für Lehre, sagt. Außerdem setze die HU „weniger auf eine Malusregelung“, mit der zu langsame Studierende an der FU Strafpunkte bekommen, sondern „auf Beratung und Ermutigung“. An der TU bemüht man sich, die wenigen Überschneidungen, die es noch gibt, von Stundenplanbeauftragten an jeder Fakultät lösen zu lassen, wie Jörg Steinbach, Erster Vizepräsident, erklärt. Auch die TU strebe aber eine zentrale Lösung mit der passenden Software an.

Aufgeschlossen zeigte sich FU-Vizepräsident Väth auch für die studentische Kritik am Zulassungsverfahren der FU. Bislang wird das „Kernfach“, also das Hauptfach, an die Bachelor-Studierenden nach der Abiturnote und den Wartesemestern vergeben, das Zweitfach aber allein nach der Abiturnote. So werden die Studierenden, deren Abiturdurchschnitt für ihr zweites Wunschfach nicht reicht, gezwungen, in andere Fächer auszuweichen – mit der Folge, dass viele nun Fächer studieren müssen, denen sie nicht zugeneigt sind. Häufig sind von dieser Regelung gerade Studierende betroffen, die Grundschullehrer werden wollen. Die Grundschulpädagogik ist ein „Zweitfach“. Väth will eine Diskussion darüber anschieben, ob an der FU nicht auch wie an der HU verfahren werden kann. Dort wird auch das Zweitfach nach Abischnitt und Wartezeit vergeben.

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