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Gesundheit: Studiengebühren schrecken ab

"Wir müssen einen Weg finden, um die Staatsfinanzierung des Studiums mit dem Beitrag des einzelnen Studenten zu koordinieren." Dieser Satz klingt harmloser als er ist.

"Wir müssen einen Weg finden, um die Staatsfinanzierung des Studiums mit dem Beitrag des einzelnen Studenten zu koordinieren." Dieser Satz klingt harmloser als er ist. Formuliert hat ihn der britische Premierminister Tony Blair während seiner viel beachteten Rede über Frieden, Freiheit, Terrorismus und Werte. Deswegen wurde diese auf das Studium bezogene Passage auch im ersten Augenblick kaum wahrgenommen. Dabei bedeutet das Statement eine Kehrtwende in der Politik der regierenden Labourpartei.

Nach dem Wahlsieg am 1. Mai 1997 wagte "New Labour" auf Grund ihrer überwältigenden Mehrheit im Parlament die Einführung der Studiengebühren. Im Klartext heißt das: Seit 1. September 1998 müssen die Studenten auf der britischen Insel Studiengebühren in Höhe von umgerechnet 3200 Mark pro Jahr entrichten. Die Zahlung ist abhängig von dem Einkommen der Eltern. 50 Prozent der Studenten sind derzeit davon befreit.

Die Einführung der Gebühren war jedoch nur ein Teil der Reform. Im gleichen Zuge wurde das System der Unterhaltszuschüsse abgeschafft. Die Konsequenzen sind vielfältig: Nur drei Jahre nach der Einführung des neuen Systems zeichnet sich ab, dass die Studenten aus Familien mit geringerem Einkommen nach Beendigung des Studiums mit wesentlich mehr "staats-organisierten" Schulden ihr Arbeitsleben beginnen als Studenten aus der so genannten Mittelklasse. Es ist ebenfalls für jeden sichtbar, dass weniger Jugendliche aus der Arbeiterklasse ein Studium aufnehmen. Das stellt ein gravierendes Problem für die Regierung dar, die sich vorgenommen hatte, 50 Prozent der unter 30-Jährigen bis zum Jahr 2010 eine Hochschulausbildung zuteil werden zu lassen. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Kinder aus der Arbeiterklasse in die Hörsäle der Universitäten kommen. Alle anderen Reservoirs sind bereits ausgeschöpft.

Diese Erkenntnisse gab es bereits seit einer geraumen Zeit, sie hatten bisher aber nicht ausgereicht, die Politiker umzustimmen. Die Regierung in London verteidigte störrisch ihre Entscheidung als finanziell notwendig sowie sozial abgefedert. Die entscheidende Wende vollzog sich durch das persönliche Erlebnis der Kabinettsmitglieder während des Wahlkampfes im Frühling dieses Jahres. In sehr konfrontativen, ja peinlichen Debatten konnte Tony Blair sich selbst davon überzeugen, dass die Jugendlichen die Labourpartei für ihre Politik verachten und deshalb nicht wählen. Befragt nach dem Warum, gab es immer wieder eine Antwort: die Studiengebühren.

Die Macht der jugendlichen Wähler hat ein Nachdenken beim britischen Premier ausgelöst. Tony Blair hat verstanden und ist nun offensichtlich mutig genug, seinen Fehler einzugestehen. Welche Lösung die eingesetzte Arbeitsgruppe finden wird, ist noch nicht klar. Einig ist man sich darüber, dass die Studiengebühren in dieser Form abgeschafft werden müssen. Diskutiert wird eine Absolventensteuer, um die Jugendlichen von einem bestimmten Jahreseinkommen an über eine Steuer rückwirkend an der Finanzierung ihres Studiums zu beteiligen. Auch die Unterhaltszuschüsse für alle Studenten, in Abhängigkeit von der familiären Situation, sollen wieder eingeführt werden. Das neue System soll vom Herbst 2003 an in Kraft treten. Ein Erfolg für die Studenten.

Für die Universitäten geht mit der neu entfachten Diskussion alles wieder von vorn los. Der Zuschuss, den sie pro Student von der Regierung bekommen, ist von 7800 Pfund im Jahr 1990 auf 5000 Pfund im Jahr 2001 geschrumpft. Ohne die Studiengebühren wird sich die Situation noch mehr verschärfen. Doch darauf möchte die Regierung jetzt nicht Rücksicht nehmen. Es geht darum, junge Wähler zurückzugewinnen.

Kathrin Singer

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