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Gesundheit: Teleskope: Nah am Himmel gebaut

Die Wissenschaft wird nicht nur von neuen gedanklichen Konzepten vorangetrieben, sondern auch - und nach Ansicht des Historikers Peter Galison vor allem - von neuen technischen Entwicklungen. In kaum einer Disziplin ist dies so deutlich wie in der Astronomie.

Die Wissenschaft wird nicht nur von neuen gedanklichen Konzepten vorangetrieben, sondern auch - und nach Ansicht des Historikers Peter Galison vor allem - von neuen technischen Entwicklungen. In kaum einer Disziplin ist dies so deutlich wie in der Astronomie. Neuartige Teleskope eröffneten in der Vergangenheit immer wieder den Blick auf bis dato unbekannte Himmelsobjekte. Und es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Astronomen ihre Instrumente oder zumindest Komponenten davon selbst bauen.

Wenn es darum geht, sehr kalte und daher eher unscheinbare Objekte wie ferne Planeten oder sich zu Sternen verdichtende Molekülwolken zu beobachten, müssen die Forscher besonders findig sein. Das machte der Astronom Michael Grewig bei seinem Vortrag im Magnus-Haus in Berlin deutlich. Er führte das Publikum hinauf in 2500, 3000 und 5000 Meter Höhe, in die französischen Alpen, die Sierra Nevada und nach Chile. Oben angelangt, riss er dann das "Fenster zum kalten Weltall" auf.

Ungemütliche Höhen für lange Forschernächte. Gefährliche zudem. Auf dem Plateau de Bure in Frankreich, wo fünf Teleskope im Schnee stehen, kamen im vergangenen Jahr 20 Menschen bei einem Seilbahnunglück ums Leben. Einige von ihnen waren fast zehn Jahren lang Mitarbeiter der internationalen Astronomieorganisation IRAM gewesen, zu der sich drei europäische Forschungsvereinigungen zusammengeschlossen haben: die Max-Planck-Gesellschaft, das französische Centre National de la Recherche Scientifique und das spanische Instituto Geografico Nacional.

Gemeinsam haben sie auf dem Hochplateau die auf Schienen verschiebbaren Observatorien errichtet. Jedes von ihnen hat einen Durchmesser von 15 Metern. Die fünf Antennen können bis auf 400 Meter Abstand voneinander weg bewegt und alle auf dasselbe Himmelsobjekt ausgerichtet werden. Sie arbeiten zusammen wie ein einziges großes Teleskop.

Nicht nur der Blick über die Alpenlandschaft ist in 2550 Metern Höhe prächtig, auch der nach oben. Denn die dünne Atmosphäre werde dort für bestimmte astronomische Beobachtungen transparent, erläuterte Michael Grewig, Direktor des IRAM-Instituts in Grenoble. Die Teleskope fingen eine Strahlung ein, die - unserem Auge verborgen - bei Wellenlängen von drei, zwei oder 1,3 Millimetern einfällt. Der Ursprung dieser Strahlung liegt in vergleichsweise kalten Quellen im All.

Grewig zeigte Aufnahmen verschiedener Sternentstehungsgebiete, etwa des Orion-Nebels. Auf den Bildern sind große Wolkenfelder zu sehen. Die dichten Hüllen aus Staub und Gas dunkeln die Geburtsstätten der Sterne völlig ab. Mit den Millimeterteleskopen lassen sich die Wolken allerdings durchdringen.

Ein neues Bild einer ähnlichen Region: Auf einer Art topografischer Karte zeichnen sich GM Auriga und DM Tauri ab. Beide Sterne geben Anhaltspunkte dafür, wie unser eigenes Sonnensystem vor einigen Milliarden Jahren entstanden sein mag. Sie sind von einer flachen Scheibe umgeben, in der sich später einmal Planeten formen könnten.

Organische Moleküle im All

Anhand der Spektren lässt sich unter anderem die chemische Zusammensetzung der Scheiben erkennen. Zahlreiche organische Moleküle, die mit zehn oder mehr Atomen bereits recht komplex erscheinen, konnten die Forscher so indentifizieren. Die Emissionslinien einzelner Moleküle geben auch die Geschwindigkeit preis, mit der sich das Gas in der Scheibe bewegt. Es fällt in beinahe freiem Fall nach innen. Der Protostern wird bald fast die komplette Masse des Sonnensystems in sich vereint haben, während die Scheibe die komplette Rotationsenergie trägt.

Mit geeigneten Teleskopen sollte es möglich sein, alle Phasen der Planetenentstehung zu verfolgen, wenn man unterschiedlich alte Sterne ins Visier nimmt. Nach Vorstellung der Wissenschaftler müssten zum Beispiel in den Scheiben nach und nach mehrere Ringe sichtbar werden. Denn wenn sich Planeten darin bilden, fegen sie Staub und Gas in ihrer nächsten Umgebung auf - zunächst wie ein Schneepflug, später aufgrund ihrer Schwerkraftwirkung.

Die Observatorien in Frankreich oder Spanien sind allerdings noch nicht gut genug, um derartige Einzelheiten, geschweige denn die Planeten selbst, abbilden zu können. Amerikanische, japanische und europäische Wissenschaftsorganisationen sind daher übereingekommen, im Norden Chiles, in 5000 Metern Höhe, eine noch größere Teleskopanlage zu bauen. Dafür wollen sie gemeinsam gut eine Milliarde Mark aufbringen, sagte Grewig.

64 Antennen in der Wüste

Das Netzwerk soll aus insgesamt 64 Antennen mit jeweils zwölf Metern Durchmesser bestehen. Sie können - je nach Bedarf - über eine Fläche von zehn Kilometern verteilt werden können. Ein Großrechner verbindet die von den einzelnen Antennen eingefangenen Signale zu einem Gesambild. Die Teleskope sollen so gut aufeinander abgestimmt werden, dass sie ein Pfennigstück noch in 200 Kilometern Entfernung ablichten können.

Entscheidend für diese Bildqualität ist unter anderem der Standort. Das nur schwer erreichbare Hochplateau der Atacamawüste in Chile bietet den Astronomen die besten Bedingungen. Die Wüste gilt als die trockenste der Erde. Über den Teleskopen liegt daher nur eine dünne Luftschicht, die wenig störenden Wasserdampf enthält.

Die Anlage mit Namen "Alma" ("Atacama Large Millimeter Array") soll 2009 fertiggestellt werden. "Alma erfordert die Entwicklung einer Reihe von grundlegend neuen Technologien wie Signalverstärkung durch supraleitende Empfänger oder superschnelle Datenverarbeitung", betont der Astronom Paul Vanden Bout. Diese Technologien könnten aber auch andere Forschungsgebiete voranbringen.

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