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Gesundheit: Totgesagte leben länger

Die Habilitation bleibt bestehen. Aber die Länder wollen auch die Juniorprofessur retten

Dem bayerischen Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) ist die Freude anzumerken, als er gestern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Juniorprofessur kommentiert. Bulmahns Reformen des Hochschulrahmengesetzes „insgesamt nichtig“ – das sei ein „glänzendes Ergebnis für die Länder“, sagt Goppel dem Tagesspiegel. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) habe sich zur „Päpstin“ der Bildungspolitik erheben wollen; nun stehe sie „höchstens als Diakonisse“ da. Berlins Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) dagegen bedauert die Entscheidung des Gerichts. Berlin habe gute Erfahrungen mit der Juniorprofessur gemacht und werde an seinem reformierten Hochschulgesetz festhalten.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) betont denn auch, dass das Urteil die Juniorprofessur in den Landesgesetzen nicht betreffe. HRKPräsident Peter Gaehtgens fordert die Länder auf, die Juniorprofessur einheitlich als gleichberechtigten Weg zur Professur einzuführen. Tatsächlich sprechen sich die Wissenschaftsminister und auch Hochschulvertreter durchweg für den von Bulmahn gewollten neuen Weg in die frühe Verantwortung von Nachwuchswissenschaftlern für Forschung und Lehre aus – gleichzeitig aber sind fast alle gegen die von ihr verordnete Abschaffung der Habilitation. Und die ist jetzt definitiv gerettet.

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern festgestellt, dass die Bundesregierung mit dem Systemwechsel bei der Professorenqualifikation verfassungswidrig in das Hochschulrecht der Länder eingriff. An einer zentralen Stelle des Urteils heißt es: „Das Kernstück des Reformgesetzes, die Regelungen für die Qualifikation und Berufung von Professoren, überschreitet den bundesgesetzlich zulässigen Rahmen für das Hochschulwesen.“

Der Bund hat im Hochschulwesen von jeher nur eine Rahmenzuständigkeit. Eine Grundgesetzänderung von 1994 stärkte zusätzlich die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Den Ländern müssten inhaltliche Entscheidungsspielräume bleiben. Die Juniorprofessur gebe aber eine grundlegend neue Personalstruktur „ohne Ausweichmöglichkeit“ vor. Der verbleibende Regelungsbereich der Länder sei „marginal“. Der Bund habe „auch nicht ausnahmsweise“ die Kompetenz für eine Vollregelung. Bei der Reform habe er zudem nicht dargelegt, dass die angestrebte stärkere Selbstständigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Senkung des Berufungsalters nur über die Juniorprofessur erreicht werden könnten – bei faktischer Abschaffung der Habilitation.

Auch die Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Regelung der Professorenqualifikation wird von den Karlsruher Richtern in Abrede gestellt. Es seien keine Missstände im geltenden System belegt, die nur durch die bundeseinheitliche Einführung der Juniorprofessur behoben werden könnten.

In einem Sondervotum widersprachen zwei (selbst habilitierte) Bundesverfassungsrichterinnen und ein Bundesverfassungsrichter dem Urteil. Die Rahmenkompetenz des Bundes werde von der Mehrheit „so eng gefasst, dass dem Bund praktisch jede Möglichkeit zu neuer politischer Gestaltung … genommen“ sei. Die drei Richter vertreten also die Überzeugung, dass der Bund zur Einführung der Juniorprofessur innerhalb des Hochschulrahmengesetzes berechtigt war.

„Das Urteil hat die Juniorprofessur als solche nicht in Frage gestellt“, hält Bundesbildungsministerin Bulmahn fest. Sie kündigt eine Novelle des Hochschulrahmengesetzes an und appelliert an die Länder, „den eingeleiteten Reformprozess nicht zu blockieren“, sondern die Juniorprofessur schnell im Landesrecht zu etablieren. Der Staatsrechtslehrer Hans Meyer (Berlin), der die Bundesregierung in Karlsruhe vertreten hatte, sieht die Lage ernster als die Ministerin. Mit ihrer restriktiven Auslegung hätten die Karlsruher Richter die „Rahmengesetzgebung des Bundes abgeschafft“. Er halte es für „absoluten Unfug“, das gesamte Reformwerk des Hochschulrahmengesetzes für nichtig zu erklären. Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel nennt das Urteil denn auch eine „Steilvorlage“ für die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes.

Was bedeutet das Urteil nun wirklich für die Juniorprofessur? „Ein hohes Maß an Unsicherheit“, beklagt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Der Versuch, die frühe Selbstständigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen durchzusetzen, sei nun gescheitert. Es müsse befürchtet werden, dass gerade die besten Wissenschaftler ihre Karriere außerhalb Deutschlands fortsetzen. Und Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) schließt aus dem Urteil, die Hochschulen und viele Nachwuchswissenschaftler ständen nun „vor einem Scherbenhaufen“.

Aber auch Frankenberg fordert wie fast alle Länderchefs: „In ihrem Interesse müssen wir nun versuchen, das Konzept der Juniorprofessur, falls rechtlich möglich, in der Zuständigkeit der Länder weiterzuverfolgen.“ Der Vorsitzende des Fakultätentages, Reinhold Grimm, hofft gar auf eine heilsame Wirkung des Karlsruher Urteils: „Es könnte dazu führen, dass wir es jetzt gemeinsam anpacken und durchaus die allgemeinen Reformziele Bulmahns akzeptieren.“ Und weil die bestehenden Juniorprofessuren entweder durch geltendes Landesrecht vorerst gesichert sind oder in Ländern ohne Reformgesetze wie wissenschaftliche Mitarbeiter behandelt werden, kann Sachsens Wissenschaftsminister Matthias Rößler die Juniorprofessoren beruhigen: „Für sie ändert sich nichts.“

Rößler ist auch zuversichtlich, dass sich Bund und Länder schnell über „die Einführung der Juniorprofessur als gleichwertige Zugangsvoraussetzung zur Professur neben der Habilitation verständigen“ könnten. Der Bund solle mit im Boot bleiben, weil er das Förderprogramm ja erfolgreich angeschoben hätte, heißt es aus dem Ministerium. Auf die 60 000 Euro, mit denen der Bund jeden neuen Juniorprofessor ausstattet, wird wohl kein Land verzichten wollen.

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