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Gesundheit: Treibhauseffekt: "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel"

Spätestens in 1000 Jahren sollte die Menschheit wegen des Treibhauseffekts auf einen anderen Planeten umziehen, empfahl kürzlich der britische Physiker Stephen Hawking und schaffte es damit sogar auf die Titelseite der größten deutschen Boulevardzeitung. Klimaforscher sind mit ihren Voraussagen trotz regelmäßiger Hiobsbotschaften (Ozonloch, Überschwemmungen, Polareis-Schmelze) doch ein bisschen vorsichtiger: "Wir haben die klimarelevanten Prozesse noch nicht richtig verstanden.

Spätestens in 1000 Jahren sollte die Menschheit wegen des Treibhauseffekts auf einen anderen Planeten umziehen, empfahl kürzlich der britische Physiker Stephen Hawking und schaffte es damit sogar auf die Titelseite der größten deutschen Boulevardzeitung. Klimaforscher sind mit ihren Voraussagen trotz regelmäßiger Hiobsbotschaften (Ozonloch, Überschwemmungen, Polareis-Schmelze) doch ein bisschen vorsichtiger: "Wir haben die klimarelevanten Prozesse noch nicht richtig verstanden. Unsere Prognosefähigkeit ist noch deutlich eingeschränkt", sagte gestern der Geophysiker Heinrich Miller vor der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn.

Dass auch der Mensch das Klima beeinflusst, ist weithin unbestritten, aber löst er - vor allem durch den jährlichen Ausstoß von 30 Milliarden Tonnen Kohlendioxid bei der Verbrennung fossiler Stoffe wie Öl und Kohle - einen Treibhauseffekt aus? "Es ist richtig, dass der letzte Beweis nicht erbracht ist", erklärte Christian-Dietrich Schönwiese, Meteorologe aus Frankfurt/Main. "Wir reden von Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Aber einfach abzuwarten, ist sicher nicht die richtige Strategie." Man darf dies durchaus als Appell an die Regierungen verstehen, die sich im November in Den Haag mal wieder mit dem Klima beschäftigen. Dort soll verhandelt werden, wie das bei der letzten Konferenz in Kyoto beschlossene Ziel erreicht werden kann, den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2

und Methan bis spätestens 2012 um 5,4 Prozent zu senken. Doch schon dieser "ganz müde Einstieg" (Schönwiese) droht zu misslingen. "Es läuft darauf hinaus, dass man sich vertagt."

Der international auch als Berater tätige Schönwiese befürchtet, dass vor allem die USA als Bremser auftreten werden. Schönwiese hatte vor einigen Wochen eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes vorgestellt, in dem er dem "Faktor Mensch" die weitaus größte Verantwortung für den weltweiten Temperaturanstieg von 0,7 Grad Celsius im vergangenen Jahrhundert gibt. 60 Prozent der Erwärmung gehen nach seiner statistischen Analyse von Klimabeobachtungen auf das Konto des vom Menschen verursachten Ausstoßes von Treibhausgasen.

Von Bedeutung für die Den Haager Konferenz könnte auch eine Studie sein, die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit Partnern in Deutschland, USA, Großbritannien und Schweden erstellt hat, und die Wolfgang Cramer in Bonn erläuterte. Danach ist die Hoffnung offenbar unbegründet, die Aufforstung von Wäldern könnten bei den Bemühungen, den Klimawandel aufzuhalten, eine herausragende Rolle spielen. Bäume und Waldböden speichern Kohlenstoff und entsorgen damit einen erheblichen Teil des Problems, das durch die Verbrennung fossiler Stoffe entsteht. Dabei habe laut Cramer der wachsende Ausstoß von Kohlendioxid sogar einen positiven Nebeneffekt: Die Biosphäre wächst und kann daduch wieder mehr Emissionen speichern - eine Art "CO2

Düngung". Alle Forschergruppen, erklärte Cramer jedoch, seien in ihren Modellen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Speicher innerhalb weniger Jahrzehnte aufgefüllt sein werde und keine zusätzlichen Kohlenstoffmengen aufgenommen werden könnten. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", sagte der Geowissenschaftler.

Noch höhere CO2 Konzentrationen würden das Pflanzenwachstum nicht weiter anregen. Zudem bedeute das schnellere Wachstum der Bäume auch ein früheres Lebensende: durch menschliche Ernte, Feuer oder Insektenbefall. So oder so entweicht der Kohlenstoff dann doch in die Atmosphäre. Sollten neuere Klimaprognosen zutreffen und große Waldgebiete in Indien und Südamerika austrocknen, könnte die zusätzliche Aufnahmefähigkeit der Biosphäre kurzfristig zum Erliegen kommen. Ein beschleunigter Klimawandel wäre dann die Folge.

Wolfgang Cramer:Aufforstung und schonende Bewirtschaftung in Wald und Landwirtschaft seien zwar zu begrüßen, am globalen Klimaproblem würden sie jedoch nichts ändern. Allein der Raubbau an tropischen und sibirischen Wäldern sei gegenwärtig für ein Fünftel der Emissionen verantwortlich, weil dabei im Boden gespeicherte riesige Kohlenstoffmengen freigesetzt würden.

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