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Gesundheit: U-Bahn: Linie 5 durch die Bronzezeit

Die U-Bahnlinie 5 bringt es an den Tag: Die Vor- und Frühgeschichte Berlins, die bäuerlichen Siedlungen der Bronze- und römischen Kaiserzeit auf einer Talsandinsel in der Spree. Was davon übrig geblieben ist, wollen die Archäologen ab Frühjahr 2001 - sobald der Planfeststellungsbeschluss für den Tunnelbau zwischen Rotem Rathaus und Brandenburger Tor vorliegt - wieder ans Tageslicht holen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die U-Bahnlinie 5 bringt es an den Tag: Die Vor- und Frühgeschichte Berlins, die bäuerlichen Siedlungen der Bronze- und römischen Kaiserzeit auf einer Talsandinsel in der Spree. Was davon übrig geblieben ist, wollen die Archäologen ab Frühjahr 2001 - sobald der Planfeststellungsbeschluss für den Tunnelbau zwischen Rotem Rathaus und Brandenburger Tor vorliegt - wieder ans Tageslicht holen. Die politisch heftig umstrittene U 5 wird zum Glücksfall für die Forscher, die so flächendeckend wie seit 50 Jahren nicht mehr graben können. "Ein echter Leckerbissen", sagt Karin Wagner, die Leiterin der archäologischen Denkmalpflege in Berlin.

Auf zehn Grabungsabschnitte hat man sich mit der Bauverwaltung schon geeinigt, an denen jeweils mehrere Monate gearbeitet werden kann. Die Archäologen wollen sich auf das Gebiet zwischen Rathausvorplatz und dem künftigem U-Bahnhof Spreeinsel / Schlossbrücke konzentrieren. Sie können dort, dank des gewaltigen Bauvorhabens, mehr als zehn Meter tief in die Erde schauen. Das bedeutet - sie blicken bis zu 6000, 7000 Jahre zurück. In eine Zeit, in der an die Doppelstadt Berlin - Cölln noch nicht zu denken war. Die Archäologen hoffen auf Überreste von Herdstellen, Öfen, Kochgruben, meistens werden nur noch Erdverfärbungen zu sehen sein. Sie geben Aufschluss über die früheste Besiedlung der historischen Stadtmitte. "Mit Grabstätten rechnen wir weniger", sagt Karin Wagner.

Die Neugierde der Forscher richtet sich aber nicht nur auf bronzezeitliche Kulturen, sondern auch auf slawische Siedlungen. Slawische Stämme, Heveller und Sprewaner, ließen sich ab 600 unserer Zeitrechnung in Berlin und Umgebung nieder. In der Nähe vom Rathaus, in der Poststraße, wurde im Zuge von Leitungsarbeiten slawisches Fundgut entdeckt. Dort geriet man aber schon in den Bereich der damaligen Insel-Uferböschung, was dem Erhaltungszustand der Fundstücke nicht förderlich war. Am Rathaus hoffen die Archäologen, "im Trockenen" zu graben. Und sicher werden auch die Reste des Altstadtviertels, dass für den Rathausneubau (1861 - 1869) rigoros abgerissen wurde, freigelegt. Also das barocke Berlin, das in der Gründerzeit rücksichtslos überwuchert und in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört worden ist.

Eines wissen die Denkmalpfleger allerdings auch: Zwischen Rathaus und Alexanderplatz wurde schon einmal ein U-Bahnstrang gebaut. "Damals wurde sicher einiges kaputt gemacht", befürchtet Wagner. Trotzdem - solche großen Flächen durften die Archäologen in Berlin zuletzt Anfang der 50er Jahre beackern. Und zwar am Hohen Steinweg, den es nicht mehr gibt und der im mittelalterlichen Berlin zum Stadtmarkt führte. Das war 50 bis 80 Meter östlich der Jüdenstraße, im Bereich des Marx-Engels-Forums. Es sei damals eine sehr erfolgreiche, interessante Grabung geworden. "Aber heute stehen uns viel bessere Datierungs- und Konservierungsmethoden zur Verfügung", sagt Berlins Chefarchäologin. An jedem Grabungsabschnitt sollen zehn Fach- und Hilfskräfte eingesetzt werden.

Die Kosten trägt, laut Denkmalschutzgesetz, der Verursacher. In diesem Fall der Bund und das Land Berlin. Denn "alle Veränderungen und Maßnahmen an Denkmalen" unterliegen in Berlin einer Dokumentierungspflicht. Die Archäologen müssen immer flink sein, denn andere wollen graben, um zu bauen, nicht um etwas zu finden. So ist es auch in diesem Fall, bei der U-Bahnlinie 5. Die wissenschaftliche Dokumentation des frühen Berlins ist für die Bauverwaltung des Senats eine selbstverständliche Pflicht, aber auch lästig. Es kostet Geld und verzögert den Beginn der Bauarbeiten.

Aber der U-Bahnbau verzögert sich in diesem Fall noch aus ganz anderen - finanziellen, planerischen, bautechnischen, politischen - Gründen. Da müssen die Archäologen kein schlechtes Gewissen haben. Frühestens 2008/09 sei die Linie komplett, hieß es gestern in der Bauverwaltung. Vielleicht auch erst 2011, wenn der Senat zur Fußball-WM 2006 keine Riesenbaustelle Unter den Linden haben will. Aber anschließend kann jeder sagen: Ich fahre mit der U-Bahn durch die Bronzezeit.

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