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Gesundheit: Umstrittener Impfstoff: Göttinger Gebräu

Die Universität Göttingen hat gestern wissenschaftliches Fehlverhalten eines ihrer Forscher bei Veröffentlichungen über ein neues Impfverfahren gegen Nierenzellkrebs eingeräumt. Gleichwohl bestünden keine Zweifel, dass der von dem Göttinger und einem Tübinger Nachwuchsmediziner entwickelte Impfstoff hochwirksam sei, sagte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Manfred Droese.

Die Universität Göttingen hat gestern wissenschaftliches Fehlverhalten eines ihrer Forscher bei Veröffentlichungen über ein neues Impfverfahren gegen Nierenzellkrebs eingeräumt. Gleichwohl bestünden keine Zweifel, dass der von dem Göttinger und einem Tübinger Nachwuchsmediziner entwickelte Impfstoff hochwirksam sei, sagte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Manfred Droese. In mehreren Fällen seien nach einer Behandlung mit dem Impfstoff "dramatische Regressionen" von Nierenkarzinomen bestätigt worden.

Die beiden Mediziner hatten in mehreren Aufsätzen über die neuartige Therapie berichtet, bei der das eingespritzte Mittel - eine im Elektroschockverfahren produzierte Mixtur aus Tumorzellen des Patienten und Zellen von Blutspendern - das Immunsystem der Betroffenen aktivieren soll. Bei fünf oder sechs von 31 beziehungsweise 33 zwischen 1996 und 2000 behandelten Patienten seien die Karzinome demnach verschwunden. Bei anderen Erkrankten seien sie kleiner geworden, hieß es in den Publikationen. Vor zwei Monaten erhielten die Forscher für ihre Arbeit gemeinsam den Ernst Wiethoff-Preis, mit 50 000 Mark einer der höchstdotierten deutschen Medizinpreise.

Externe Experten bezweifelten die Göttinger Forschungsergebnisse und warfen den beiden Medizinern gravierende methodische Fehler, eine Verletzung der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht und sogar eine Gefährdung von Patienten durch toxische Wirkungen des Impfstoffs vor. Der Würzburger Professor Ulrich Zimmermann bezeichnete den Impfstoff in einer Stellungnahme als "Göttinger Gebräu". Die Uni hatte daraufhin eine Kommission beauftragt, den Vorwürfen nachzugehen.

Universitätspräsident Horst Kern erklärte gestern, der Göttinger Wissenschaftler habe ein von ihm in seiner Habilitationsschrift zu dem Thema publiziertes Foto ohne entsprechende Kennzeichnung von der Internetseiten einer privaten Firma heruntergeladen. Die Kommission der Hochschule habe gleichzeitig eine fehlende wissenschaftliche Sorgfalt bei der Veröffentlichung bemängelt. So sei das Gremium zu dem Schluss gelangt, eine Beurteilung der Therapieerfolge bei Nierenzellkrebs sei "eigentlich nur durch Röntgenfachleute möglich". Ein wissentliches Fehlverhalten könne den beiden jungen Forschern dabei aber nicht unterstellt werden. Dies alles bedeute auch nicht, dass das, was publiziert wurde, falsch sei, sagte Kern.

Die Universität hat den Göttinger Mediziner inzwischen aufgefordert, den Antrag für seine Habilitationsschrift zurückzuziehen. Eine umfassende wissenschaftliche Studie zu dem neuen Impfverfahren wurde Kern zufolge ebenfalls auf Eis gelegt, bis alle Vorwürfe geklärt sind.

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