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Gesundheit: Unchristlicher Blutrausch - In den Kreuzzügen bahnte sich der religiöse Hass seinen Weg

"Gott will es!", riefen die abendländischen Kreuzfahrer, bevor sie gen Osten zogen, um Jerusalem von den Türken zu "befreien".

"Gott will es!", riefen die abendländischen Kreuzfahrer, bevor sie gen Osten zogen, um Jerusalem von den Türken zu "befreien". Gott will es - besonders aber wollte es Papst Urban II. In einem flammenden Appell rief er am 27. November 1095 in Clermont die abendländische Christenheit auf, das Heilige Land den "Ungläubigen" zu entreißen.

Besonders in Frankreich, Spanien und den Regionen im heutigen Italien fiel der neue christliche Fundamentalismus auf fruchtbaren Boden. Zum einen war es wirklich religiöse Verzückung und das Gefühl der Verantwortung für die Glaubensbrüder in Byzanz und Jerusalem. Denn infolge der Eroberung Anatoliens durch die muslimischen Seldschuken seit 1071 geriet die griechisch-byzantinische Kirche in Bedrängnis. Zudem bedrohte dieser türkische Volksstamm den Landweg, den die abendländischen Pilger auf dem Weg nach Jerusalem nutzten.

Gerade diese Pilger brachten immer neue Gräuel-Meldungen von Misshandlungen der Christen und der Heiligen Stätten in Jerusalem mit, die die islamischen Herren der Stadt angeblich begingen. Reine Propaganda meint der Mittelalter-Historiker Michael Borgolte: "Die Muslime tolerierten die Christen wie übrigens auch die Juden in ihrer Religionsausübung."

Neben den religiösen Motiven der Kreuzfahrer standen aber auch knallharte ökonomische und politische Beweggründe: Dem Papst ging es um die Vormachtstellung der Römischen Kirche für die gesamte Christenheit. Die italienischen Handelsstädte, die ihre Schiffe den Kreuzfahrern profitabel zur Verfügung stellten, strebten nach Gold und neuen Handelsstützpunkten. Und die die Kreuzzüge hauptsächlich tragende Gruppe, die Ritter, hofften auf Ruhm, Ehre und ein Lehen. Denn durch den im Hochmittelalter von der Kirche in Europa verordneten inneren Frieden waren die Ritter plötzlich "arbeitslos". "Für die Ritter stellten die Kreuzzüge also ein Ventil dar: sie fanden neue, kriegerische Aufgaben und eine neue Chance standesgemäßen Lebens", sagt Borgolte.

1096 machten sich die Kreuzritter auf den Weg. Es handelte sich dabei nicht um kompakte militärische Einheiten, sondern um häufig kleinere ritterliche Verbände unter Führung adliger Herren. So zog Balduin von Boulogne ins kleinasiatische Edessa mit nur 80 Rittern ein und konnte hier den ersten Kreuzfahrerstaat gründen.

1099 endlich war es soweit: Nach jahrelangem Marsch, ständigen Kämpfen mit den Türken und einer fünfwöchigen Belagerung eroberten die noch etwa 1500 verbliebenen Kämpfer des Kreuzfahrer-Heeres Jerusalem. Und richteten eines der schwersten Massaker des Mittelalters an: 70 000 Menschen wurden niedergemetzelt, Juden wie Moslems, Kinder und Frauen. Chronisten berichteten, knöcheltief habe das Blut in den Straßen gestanden.

In der Folge entstanden an der Ostküste des Mittelmeeres fünf Kreuzfahrerstaaten. Doch dauerhaft halten konnten sich die Kreuzritter nicht. Immer wieder schlugen die muslimischen Kämpfer zu und nahmen den Christen Teile ihres Besitzes wieder ab. Das Abendland antwortete mit immer neuen Kreuzzügen - insgesamt sieben sind überliefert. Im vierten Kreuzzug (1202 bis 1204) fielen die abendländischen Christen sogar über ihre orthodoxen Glaubensbrüder her und plünderten Byzanz. Doch ihr Einflussbereich schwand beständig. Nachdem schon 1187 der Sultan Saladin Jerusalem gewonnen hatte, fiel 1291 mit Akkon ihr letzter Stützpunkt.

Die Bilanz der Kreuzzüge fällt düster aus. Erst dadurch sei die fanatische Ablehnung des Christentums im Islam entstanden. "Eine der grausamsten Ereignisse des Mittelalters", urteilen selbst konservative Theologen. Der katholische Autor August Franzen spricht in seiner Kirchengeschichte von einem "unchristlichen Blutrausch".

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