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Gesundheit: Und sie strahlen doch (Kommentar)

Statistisch gesehen sind die häufigsten Nebenwirkungen von Handys an menschlichen Versuchsobjekten Zwietracht und Streitlust: Im Theater, im Restaurant oder im Flugzeug - überall kann man sich durch das Piepen oder Melodieren des ständigen Begleiters vortrefflich Feinde verschaffen. Da scheint es nur folgerichtig zu sein, dass die Betreiber der Mobilfunknetze besonders viele Feinde haben: ihre eigene Konkurrenz etwa, mit der sie sich derzeit um die kostbaren Frequenzen für das neue UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) raufen.

Statistisch gesehen sind die häufigsten Nebenwirkungen von Handys an menschlichen Versuchsobjekten Zwietracht und Streitlust: Im Theater, im Restaurant oder im Flugzeug - überall kann man sich durch das Piepen oder Melodieren des ständigen Begleiters vortrefflich Feinde verschaffen. Da scheint es nur folgerichtig zu sein, dass die Betreiber der Mobilfunknetze besonders viele Feinde haben: ihre eigene Konkurrenz etwa, mit der sie sich derzeit um die kostbaren Frequenzen für das neue UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) raufen.

Der größte Feind der Herrscher der Handys sind jedoch die Umweltaktivisten, die jedes Jahr eine neue Studie ausgraben, um angebliche Gesundheitsfolgen wie Gedächtnisverlust, Immunschwäche und Krebs zu beweisen. Bisher verlief der Streit um die Gefahren des Elektrosmog, der durch Handys, Radiosender, Hochspannungsleitungen und andere elektromagnetische Strahlungsquellen verursacht wird, wie das Rennen zwischen Hase und Igel - immer wenn die Kritiker beunruhigende Forschungsergebnisse präsentierten, hatte die Industrie bereits eine Gegenstudie in der Hand.

Am kommenden Donnerstag wird die Auseinandersetzung Zündstoff bekommen: Eine Studie in der renommierten Fachzeitschrift "Nature" beweist, dass die von Handys abgestrahlten Mikrowellen eine vollkommen neuartige, bis dato nicht berücksichtigte biologische Wirkung haben. Das bisherige Patt lag vor allem daran, dass einzelne Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Hirntumore oder Gedächtnisstörungen bei Vieltelefonierern wegen der zu kleinen Fallzahlen statistisch nicht verwertbar waren. Die zulässigen Grenzwerte der Handy-Strahlung wurden deshalb anhand der Erwärmung des Gewebes berechnet: der einzigen Wirkung, die objektiv messbar ist - und wohl von keinem Mikrowellenherd-Besitzer angezweifelt werden kann.

Handy-Gegnern genügt das nicht, da elektromagnetische Wellen theoretisch auch weit unterhalb der Wärmeschwelle andere biologische Wirkungen haben könnten. Für diese hypothetischen "nicht-thermischen" Effekte fehlten bis jetzt jedoch die experimentellen Beweise. Genau diese Lücke wurde jetzt geschlossen. Ein britisch-kanadisches Forscherteam setzte winzige Würmer der Gattung Caenorhabditis elegans für 18 Stunden einer Mikrowellen-Strahlung von 0,5 Watt aus, was etwa einem D-Netz-Handy beim Telefonieren entspricht.

Obwohl eine Erwärmung ausgeschlossen wurde, zeigten die Würmer eine erstaunliche Reaktion: in ihren Zellen wurden so genannte "Hitzeschock-Proteine" (HSP) aktiviert. HSP werden von der Zelle bei Einwirkung von Hitze, Giften oder anderen Schädigungen zur Reparatur zerstörter Proteine freigesetzt. Die Alarmierung des HSP-Reparaturtrupps beweist deshalb, dass die Handy-Wellen einen bisher unbekannten, von der Erwärmung unabhängigen Schaden angerichtet haben. Möglicherweise müssen jetzt die gesetzlichen Grenzwerte korrigiert werden. Bis dann eines Tages besser abgeschirmte Geräte auf den Markt kommen, gilt die Empfehlung des Handy-Experten George L. Carlo, der nach sechs Jahren Forschung für die Mobilfunkindustrie zu den Kritikern übergelaufen ist: "Warten Sie nicht auf den absoluten Beweis der Schädlichkeit, halten Sie einfach das Handy so weit weg wie möglich." - Das dürfte an öffentlichen Plätzen dann wieder für Streit sorgen.Der Autor ist Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Alexander S. Kekulé

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