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Gesundheit: Uni-Vergleich: Eine Revolution ist nötig

Eigentlich müsste man in Deutschland eine Revolution anzetteln. Zu diesem Schluss kam der einstige Kongressabgeordnete und heutige Vorsitzende des Präsidentenkomitees für Geistes- und Kulturwissenschaften, John Brademas, nachdem er gehört hatte, dass sich in Deutschland die Hochschulen ihre Studenten nicht selbst aussuchen können, dass Studiengebühren hier verpönt sind, ja dass sogar die Gefahr droht, dass die Finanzminister den Hochschulen das Geld abziehen würden, sofern eines Tages doch noch Gebühren eingeführt werden sollten.

Eigentlich müsste man in Deutschland eine Revolution anzetteln. Zu diesem Schluss kam der einstige Kongressabgeordnete und heutige Vorsitzende des Präsidentenkomitees für Geistes- und Kulturwissenschaften, John Brademas, nachdem er gehört hatte, dass sich in Deutschland die Hochschulen ihre Studenten nicht selbst aussuchen können, dass Studiengebühren hier verpönt sind, ja dass sogar die Gefahr droht, dass die Finanzminister den Hochschulen das Geld abziehen würden, sofern eines Tages doch noch Gebühren eingeführt werden sollten. Unvorstellbar, dass die wichtigsten Spender für die Universitäten, die gut verdienenden Alumni in Deutschland nicht zur Finanzierung der Hochschulen herangezogen werden, an denen sie einmal studiert haben. Das alles erschien dem Amerikaner, der auf Einladung der American Academy das deutsche Terrain erkunden will, wie der Blick in eine fremde Welt.

Auf die Rangliste gebracht

In Amerika sind private Universitäten auch staatliche und staatliche auch private - mit diesem Wortspiel charakterisierte Brademas den Pluralismus nicht nur der amerikanischen Hochschullandschaft, sondern auch die Tatsache, dass es an allen Universitäten eine Mischung von Finanzierungswegen gibt - also staatliche Unis ohne private Mittel nicht auskommen wie umgekehrt auch private Universitäten staatliche Hilfe benötigen. Aber niemand in den USA käme auf die Idee, nur weil eine Universität besonders erfolgreich bei der Einwerbung von Geldern ist, ihr deswegen die staatlichen Zuschüsse entsprechend zu kürzen.

Brademas, der die private New York University von einer durchschnittlichen Hochschule in die Rangliste der besten zehn in den USA geführt hat, repräsentiert nur eine von mehreren Universitäten in New York. Allein die State University von New York hat 64 Campi für Colleges und auch für Business schools in Recht, Sozialarbeit, Medizin, Technik und Wirtschaft. Die private New York University hat sich besonders um die Juden gekümmert und für die Spanier, deren Sprache nach dem Englischen am zweitstärksten in den USA verbreitet ist, ein eigenes Zentrum aufgebaut.

Warum ist es so wichtig, dass an die Spitze amerikanischer Universitäten durchsetzungsfähige Präsidenten gelangen? Sie müssen Geld einwerben, wenn sie ihren Einrichtungen zu den besten Professoren und den besten Studenten verhelfen wollen. Es ist selbstverständlich, dass in jährlichen Briefaktionen die Alumnis zu Spenden aufgerufen werden. Fast im alttestamentarischen Sinn gilt es als undankbar, wenn ein ehemaliger Angehöriger der Universität, der seinen beruflichen Erfolg dem Studium verdankt, für seine Uni nichts gibt.

Brademas setzte sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit ein Ziel: die Einnahmen der Universität enorm zu steigern. Als er nach 12 Jahren Abgeordnetentätigkeit für die Demokraten im amerikanischen Kongress im Jahr 1992 die Präsidentschaft der New York University übernahm, erzielte die lokale Uni im Jahr 23 Millionen Dollar durch Fundraising. John Brademas gab als Ziel aus, pro Woche eine Million Dollar einzuwerben und erreichte in wenigen Jahren den stolzen Betrag von 345 Millionen Dollar. Nach dem Jahr 2000 die Grenze zu einer Milliarde Dollar zu überschreiten, ist inzwischen als neue Zielmarke ausgegeben. Seine ehemalige Universität erzielte das meiste Geld von den Alumnis, an zweiter Stelle von den Studenten, die Studiengebühren in Höhe von 30 000 Dollar im Jahr zahlen müssen, und erst an dritter Stelle kommen die Einwerbungen von der Wirtschaft.

Brademas hat sich darum bemüht, dass die Universität in Testamenten die Erbschaft von bedeutenden Vermögensträgern erhielt. Als seine Uni ein Zentrum für japanisch-amerikanische Wirtschaftsbeziehungen ins Leben rufen wollte, hat er selbst bei den spröden Japanern Geld eingeworben und heute bekommt die Uni für das Zentrum mehr Geld von japanischen als von amerikanischen Unternehmen. Aber eine Bedingung stellt seine ehemalige Universität: Private Universitäten in Amerika nehmen gerne das Geld von Spendern und der Wirtschaft an, aber nur zu der Bedingung, dass die Universität frei ist, die geeigneten Wissenschaftler auszusuchen, die sie auf einen Stiftungslehrstuhl berufen will. Vorschläge aus der Wirtschaft nimmt sie entgegen - mehr nicht. Würde die Personalentscheidung zur Bedingungen gemacht, dann verzichtet eine angesehene amerikanische Universität eher auf die Spende.

Mächtige Präsidenten und Dekane

An amerikanischen Universitäten ist der ganze Universitätsbetrieb auf wirtschaftliche Effizienz abgestellt. Die Präsidenten der privaten Uni werden von den "board of trustees" - einem Aufsichtsrat - gewählt und nicht etwa von einem akademischen Gremium. Der Päsident bestimmt dann die Vizepräsidenten für bestimmte Spezialaufgaben und vor allem wählt er die Dekane aus, die ihrerseits an der Spitze der jeweiligen Fakultäten ebenfalls für das Heranschaffen von Geld verantwortlich sind. Selbstverständlich ist auch eine private Hochschule frei, die Professoren, die nicht engagiert genug in der Lehre und in der Forschung tätig sind, zu entlassen. An staatlichen Universitäten ist das wegen der starken Hochschulgewerkschaften schon schwieriger.

Brademas kam zu dem Schluss: Eigentlich müsste Deutschland, weil es ein reiches Land ist, in der Reform der Hochschulen in Europa führend sein und mindestens die Beweglichkeit Großbritanniens erreichen. Wie sollten sonst in ärmeren Ländern Europas Reformen in Gang kommen. Ansonsten appellierte er an die Deutschen, von der alten sozialdemokratischen Vorstellung Abschied zu nehmen, dass möglichst der Staat alles am besten regelt und mehr auf Bürgerengagement und Spendenbereitschaft setzen. Voraussetzung dafür sei jedoch eine wirkliche steuerliche Begünstigung der Spender.

Uwe Schlicht

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