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Gesundheit: Universitätsmedizin: Kein Mammutklinikum

Dem "Tagesspiegel" mit seiner großen Erfahrung in Sachen Hochschul- und Forschungspolitik ist es zu verdanken, dass "Gedankenspiele" aus dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses öffentlich geworden sind. Gedacht ist an ein gemeinsames Management der Klinika der beiden Berliner Universitäten unter dem Dach einer GMbH.

Dem "Tagesspiegel" mit seiner großen Erfahrung in Sachen Hochschul- und Forschungspolitik ist es zu verdanken, dass "Gedankenspiele" aus dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses öffentlich geworden sind. Gedacht ist an ein gemeinsames Management der Klinika der beiden Berliner Universitäten unter dem Dach einer GMbH. Ähnliche, fachlich ebenso unkundige und kontraproduktive Positionen hatten vor einiger Zeit schon einmal die Gewerkschaften ÖTV und DAG in die Welt gesetzt.

"Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil ein solches "Mammutklinikum" bringen könnte, das die Charité der Humboldt-Universität am Standort Wedding und das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) der FU in einer GmbH zusammenführt. Auch ein Vergleich von medizinischen Einrichtungen, die gleichermaßen der Forschung, Lehre und Krankenbehandlung der Maximalversorgung dienen, mit städtischen Krankenhäusern, verbietet sich. Selbst wenn die städtischen Krankenhäuser jetzt in Berlin in einer GmbH zusammengefasst wurden, muss dieses Rezept für die Universitätsklinika noch lange nicht funktionieren. Mit Sicherheit werden erhebliche Nachteile für den Forschungsstandort Berlin, für die Ausbildung der kommenden Ärzte-Generation und für die Versorgung zum Teil schwer kranker Menschen in Berlin und Brandenburg eintreten.

Die GmbH wurde mit der Behauptung in die Diskussion gebracht, durch Vereinigung Synergieeffekte hervorzurufen, die zu Einsparungen führen sollen. Lehre, Forschung und Krankenversorgung an zwei Klinikstandorten (Virchow-Klinikum und Universitätsklinikum Benjamin Franklin) und an einem schwerpunktmäßigen Standort für die Forschung der Charité in Mitte wären so angeblich besser zu steuern. Genau die gegenteiligen Effekte werden erzielt. Schließlich bleiben ja die beiden medizinischen Fachbereiche/Fakultäten eigenständig.

Forschung geht nur im Verbund

Berlin will und muss zur Sicherung des Standortes gerade die Wissenschaft fördern und ausbauen. Die "Gedankenspiele" aus dem Hauptausschuss sind das Gegenteil, nämlich forschungsfeindlich. Mit der Zusammenführung des FU-Klinikums Benjamin Franklin und der Charité entstünde eine derart große, unübersichtliche und lenkungsunfähige Einrichtung, dass die Hochschulmedizin in Berlin noch mehr gefährdet würde als bisher. Das FU-Klinikum Benjamin Franklin (UKBF) und die Charité gehören zu zwei äußerst unterschiedlichen Grundtypen hochschulmedizinischer Einrichtungen in Deutschland. Während das UKBF ein "Ein-Campus-Modell" verkörpert, das gut steuerbar ist, vertritt die Charité ein "Mehrstandort-Modell", dass derzeit unter den von Uwe Schlicht geschilderten strukturellen Schwierigkeiten leidet. Dennoch können beide Fachbereiche oder Fakultäten mit ihren Klinika durchaus mit Stolz darauf verweisen, dass die Berliner Medizin, zum Beispiel in puncto Drittmittel-Einwerbung, bundesweit an der Spitze liegt. Dies ist nicht zuletzt Verdienst eines gesunden Wettbewerbs - salopp formuliert nach dem Motto: "Getrennt marschieren, vereint schlagen".

Die Aufgaben des Fachbereichs Humanmedizin an der Freien Universität Berlin sind eng miteinander verknüpft. Der Fachbereich umfasst nicht nur den zentralen Standort Universitätsklinikum Benjamin Franklin, sondern auch Forschungseinrichtungen sowie Institute der theoretischen Medizin, der Grundlagenfächer und der Vorklinik. Es bleibt völlig unklar, wie das Management von zwei getrennten Fachbereichen/Fakultäten mit dem geplanten "Superklinikum" auch nur theoretisch funktionieren kann.

Aber nicht nur für den Fachbereich Humanmedizin, sondern für Berlin insgesamt ist die Zusammenarbeit mit den nicht medizinischen Einrichtungen der Freien Universität von existentieller Bedeutung für die Zukunft. Das gilt besonders für die modernen, vor allem molekularen Ansätze der Biomedizin (z.B. Humangenomprojekte). Der klinischen Forschung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung eine zunehmende Bedeutung eingeräumt. Sie benötigt eine enge Verknüpfung eines Fachbereichs mit seinem Universitätsklinikum. Mindestens ebenso wichtig ist die enge Kooperation mit den außeruniversitären Instituten in Dahlem. Ähnliches gilt gewiss auch für die Charité.

Die Einheit von Krankenversorgung, Forschung und Lehre in einer überschaubaren Struktur ist eine Grundfunktion eines modernen Universitätsklinikums. Es gibt darüber hinaus keine erfolgreichen Beispiele für das Verfahren einer GmBH. Im Gegenteil: Die organisatorische und vor allem räumliche Trennung von medizinischem Fachbereich und Klinikum ist stringent in Deutschland nur einmal im so genannten "Bochumer Modell" verwirklicht. Dort zeigt sich anhand der Leistungszahlen, insbesondere in Forschung und Lehre, dass solche Strukturen zu hinteren Plätzen in der Rangliste deutscher Universitätsklinika führen.

Bei einer Realisierung der "Gedankenspiele" wäre zu erwarten, dass die positive und steigende Drittmittelbilanz am UKBF wie auch an der Charité Schaden nimmt. Immerhin haben diese Drittmittel über 1000 Arbeitsplätze in der Forschungslandschaft Berlins geschaffen. Umgekehrt machen andere Städte und Regionen in Deutschland und auch im Ausland deutlich, wie wichtig ihnen die Hochschulmedizin ist. So kommt etwa in München niemand auf die Idee, an der Existenz dreier großer Universitätsklinika zu rütteln. Städte wie Paris oder London haben die dortigen Unikliniken nicht zusammengeführt, sondern gerade umgekehrt in kleinen, steuerbaren Einheiten organisiert.

Niemand bestreitet dass die Berliner Situation seit einigen Jahren schwierig ist. Das Klinikum Benjamin Franklin hat in den letzten Jahren bewiesen, dass es sich den strukturellen Herausforderungen erfolgreich gestellt hat. Die Forschungs- und Lehrbilanz zeigt einen jährlich zunehmenden, positiven Trend, und die leistungsfähigen und gut steuerbaren Einrichtungen der Krankenversorgung haben ein eigenständiges Profil entwickelt.

Schon weil in Brandenburg keine humanmedizinische Fakultät existiert und die Hauptstadt auf diesem Gebiet Aufgaben für die Region mit übernehmen muss, ist die Hochschulmedizin in Berlin nach den Einschnitten der letzten Jahre keinesfalls überdimensioniert. Das UKBF sieht sich hinsichtlich seiner Leistungsbilanz für die Zukunft gut gerüstet. Eine Zusammenführung mit der Charité würde die Erfolge beider Häuser zunichte machen und eine Vielzahl von Problemen erzeugen.

Resümee: Die Berliner Hochschulmedizin sperrt sich nicht gegen Reformen, sie treibt sie voran. Das diskutierte Mammut-Universitätsklinikum jedoch mit mehreren Standorten ist leistungsunfähiger, unwirtschaftlicher und forschungsfeindlicher als die heutige Struktur des UKBF und auch der Charité, denn mit einer Zusammenführung der beiden Klinika entstünden Transaktionskosten, die eine unkalkulierbare Hypothek für die Zukunft darstellen. Mehr Rationalisierung wird es nicht geben. Und Synergieeffekte können in kleineren Einheiten sehr viel besser erzielt werden.

Die einzelnen Teile des "Superklinikums" wären im übrigen auch so groß, dass sie nicht ohne lokale Leitungen auskämen - insgesamt führt dies zu personellen Mehrausgaben und zur Verlagerung von Mitteln aus Forschung, Lehre und Krankenversorgung in die Verwaltung.

Entscheidungen dauern länger

Die Managementprobleme würden deutlich verschärft, der Weg durch die Instanzen verlängert. Notwendige Entscheidungen können nicht zeitnah gefällt werden. Fachkompetenz und Entscheidungsbefugnis entfernen sich voneinander. Hinzu kommt: Die unbestritten leistungsfördernde Corporate Identity mit einem derart großen Unternehmen, das nicht inhaltlich und geschichtlich zusammengewachsen ist, wird erschwert. Nicht zuletzt würde der Wettbewerb zwischen den beiden Einrichtungen ebenso wie der mittlerweile führende Bio-und Medizintechnik-Standort Berlin zunichte gemacht.

Martin Paul

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