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Gesundheit: "Unschlagbar günstige Arbeitskräfte"

Ferienzeit ist Arbeitszeit. Kein Studierender wird in den Semesterferien nur im Schwimmbad liegen, keiner wird ständig in der Eisdiele sitzen oder sich im Biergarten bedienen lassen.

Ferienzeit ist Arbeitszeit. Kein Studierender wird in den Semesterferien nur im Schwimmbad liegen, keiner wird ständig in der Eisdiele sitzen oder sich im Biergarten bedienen lassen. Vorlesungsfreie Zeit heißt schließlich nicht Freizeit. Wenn er nicht gerade mit Hausarbeiten beschäftigt sein wird (also mal wieder seinen Staubsauger durch die Wohnung schiebt oder eine Seminararbeit tippt), wird er in einer Firma am Fließband stehen oder Eis verkaufen, vielleicht auch in einem Biergarten Bier an die Feierabendbesucher ausschenken.In diesem Sommer könnte das Szenario wahr werden; im Vergleich zu den letzten Jahren scheint das Jobangebot für Berliner Studierende ungewohnt reichhaltig auszufallen. Ralf Kleveman aus dem Vorstand der Tusma hat jedenfalls einen unüberhörbaren Begleitton von Optimismus in der Stimme. "Die Arbeitgeber haben begriffen, daß nach Einführung des 630-Mark-Gesetzes die studentische Arbeitskraft unschlagbar günstig ist. Dazu nehmen Tusma wie Heinzelmännchen als Fullservice-Anbieter dem Arbeitgeber den ganzen Papierkram ab." Und so kommt es, daß in der Tusma von einer "rasanten Angebotssteigerung besonders bei der Fachvermittlung" berichtet wird. Im Handwerk, in der EDV-Branche, bei Internet-Firmen gebe es viele Möglichkeiten. Außerdem würden in den Büros Urlaubsvertretungen gesucht. Im Moment könnten gar nicht alle Angebote vermittelt werden.Auch bei den Heinzelmännchen geht man mit einem guten Gefühl in die Sommermonate. "Die Angebotsliste wird wieder länger." Allerdings gibt Leiter Fred Hamann zu bedenken, daß die "Arbeitsmöglichkeiten im Sommer immer zunehmen." Und ob die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr wirklich günstiger ausfallen, kann er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Gleichwohl, gute Bedingungen werden seiner Ansicht nach in der Gastronomie herrschen - Bedienungen sind zur Sommerzeit eben besonders gefragt. Auch im Gartenbau, in Kaufhäusern (an der Kasse oder im Lager) werde es Bedarf geben. Nicht zu vergessen der Bürobereich: Wenn die Festangestellten im Urlaub sind, kommt die Stunde der Studenten. Sie werden im Sekretariat, beim Empfang, im Archiv gebraucht. Genau wie bei der Tusma werden für die Vermittlung drei Prozent des Bruttolohns als Vermittlungsgebühr einbehalten (bei denen, die ihren Job selbst gefunden haben und nur ihre Abgabenabrechnung machen lassen: 2,5 Prozent).Neben den alten Hasen Tusma und Heinzelmännchen, die gemeinnützig arbeiten, buhlen seit einiger Zeit auch private Vermittler um Studierende und Unternehmen. "Konkurrenz belebt das Geschäft", findet Ratko Djokic, Geschäftsführer von "effektiv". Auch er sagt: "Die Angebote nehmen zu". Gegen Ende des Semesters, wenn Prüfungen anstehen, bestünden relativ gute Chancen als Büroaushilfe, Kellner, Telefonaquisiteur. Vom August an rechnet er dann wieder mit einer steigenden Nachfrage seitens der Studenten, die hier 2,3 Prozent (als Selbstabholer 1,8 Prozent inklusive Mehrwertsteur) zu zahlen haben. "effektiv" wirbt damit, daß Jobs auch per Telefon sowie über Monitore in der Technischen Fachhochschule, der Hochschule der Künste, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und Humboldt-Uni vermittelt werden."Nicht allzu rosig" sieht der Leiter von "criteria", Theophanis Kanakaris, die Lage. "Wahrscheinlich wird das Angebot schlechter als im letzten Jahr werden." In der Gastronomie und im Garten- und Baugewerbe sei die Auftragslage noch stabil, doch mache sich die Rationalisierungswelle in der Industrie bemerkbar, so daß immer weniger Produktionshelfer benötigt würden. Bei "criteria" werden 2,5 Prozent (als Selbstabholer 2 Prozent) Vermittlungsgebühr fällig.Egal, welchen Vermittler man wählt, bei einer Beschäftigung, die von vornherein auf nicht mehr als zwei Monate oder 50 Arbeitstage im Jahr befristet ist, muß der Studierende keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung entrichten. Dasselbe gilt, wenn weniger als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet wird und das monatliche Entgeld 630 Mark nicht übersteigt. Wer in einer Dauerbeschäftigung nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeitet, zahlt lediglich 9,75 Prozent seines Bruttolohns in die Rentenversicherung (in den Semesterferien darf auch mehr als 20 Stunden gearbeitet werden).Und wenn einfach kein geeigneter Job dabei ist? Wenn man mal wieder zu spät kam? Dann darf man sich auch als Student ausnahmsweise in den Biergarten setzen und sich vom Kommilitonen in Kellnerjacke bedienen lassen.

TOM HEITHOFF

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