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Gesundheit: Verwundbare Riesen

Welche Konsequenzen Hochhaus-Ingenieure aus dem Anschlag auf das World Trade Center ziehen

Von Paul Janositz

Die Bilder der Menschen, die aus dem brennenden World Trade Center in den Tod sprangen, brannten sich in das Gedächtnis ein. Auch die Vorstellung, in Wolken-Höhe terroristischen Attacken schutzlos ausgeliefert zu sein, brachte selbst technikgläubige Menschen zum Umdenken. „Weg von den Giganten", hieß die Devise. Schließlich hatte sich gezeigt, dass auch noch so dicke Hüllen und noch so tief in den Boden gerammte Stützen aus Stahl das 417 Meter hohe Gebäude nicht vor dem Kollaps schützen konnten. Die Mehrheit der Einwohner von New York plädierte für einen kleineren Neubau auf „Ground Zero“.

Mittlerweile hat sich das Bild gewandelt. Es waren nicht nur Stars wie Norman Foster, die das Hochhaus-Konzept verteidigten. „Auch nach dem Untergang der Titanic wurden weiter Schiffe gebaut“, sagte der Schöpfer der Berliner Reichstagskuppel und des Frankfurter Commerzbank-Turmes. Selbst bei den am meisten betroffenen Menschen änderte sich die Stimmung. „Neue Umfragen zeigen, dass die New Yorker am liebsten wieder ein genauso hohes Gebäude hätten“, sagt Horst Hauser, Geschäftsführer des Verbandes „Bauen mit Stahl“ in Düsseldorf. Die Vereinigung, in der Hersteller und Nutzer von Stahl zusammengeschlossen sind, lud kürzlich in Berlin zu einer Tagung, bei der sich Fachleute über die „Zukunft von Geschossbauten aus Stahl nach dem Einsturz des World Trade Center“ Gedanken machten.

„Die Statiker des WTC haben jedes Detail nachgerechnet", sagt Klaus Rückert von der Technischen Universität Berlin. Sie hätten keine entscheidenden Fehler gefunden. Dafür spricht auch, dass der Aufprall allein das Gebäude nicht umwerfen konnte. Allerdings hat die 187 Tonnen schwere und 600 km/h schnelle Boeing 40 der 59 Außenstützen durchschnitten und 44 Innenstützen des Kerns stark demoliert.

Doch das für Orkane ausgelegte Hochhaus verkraftete zunächst die Zerstörungen. „Der Turm bewegte sich etwa 20 Zentimeter“, sagt Jean-Baptiste Schleich, Hochschullehrer für „Entwurf und Ausführung von Bauten“ an der Universität Lüttich. Das Bausystem konnte die Kräfte aus der zerstörten Zone auf unbeschädigte Bereiche umlagern.

Und doch gab es keine Möglichkeit, den „Super-Gau“ zu verhindern. Und es wird diese Möglichkeit den Experten zufolge auch zukünftig nicht geben. Gegen Erdbeben, Orkane und „normale“ Flugzeugabstürze lassen sich Wolkenkratzer sichern. Doch eine Kombination aus einem Flugzeugeinschlag, der Explosion fast voller Kerosintanks und einem fürchterlichen Feuer lässt sich nicht beherrschen. Das mehr als 1000 Grad heiße Feuer weichte die zunächst unversehrten Stützen auf. Die Stockwerke fielen aufeinander, das Gebäude brach in sich zusammen.

„Man kann Hochhäuser nicht so verändern, dass sie solchen Gewalten standhalten", sagt Nikolaus Goetze. Der Hamburger Architekt arbeitet im Büro Gerke, Marg und Partner, das chinesische Städte wie Schanghai schon mit Kolossen aus Stahl, Beton und Glas versorgt hat. Es würde auch nichts helfen, die Wolkenkratzer – ähnlich Kernkraftwerken – mit meterdicken Betonwänden zu umhüllen. Wegen des Erdbebenschutzes müssen die Wände flexibel sein, damit sie pendeln können, sagt Goetze.

Wenn sich die Katastrophe schon nicht mit letzter Sicherheit verhindern lässt, gilt es doch, alles für den Schutz der Menschen zu tun. Optimaler Brandschutz und effektive Evakuierung heißen die zentralen Themen. Das Baumaterial sollte dem Brand so weit wie möglich Widerstand leisten können, die Ausbreitung von Feuer und Rauch sollte gestoppt werden, die Fluchtwege sollten offen bleiben. Unzählige verloren am 11. September deshalb ihr Leben, weil die im Kernbereich angebrachten Treppenhäuser blockiert waren.

Bei diametral im Außenbereich angebrachten Treppenhäusern, wie sie in Deutschland üblich sind, wären Fluchtwege offen geblieben, sagt Reinhard Ries, Leiter der Branddirektion in Frankfurt. Das Sicherheitsniveau bei Brand- und Katastrophenschutz sei hier wesentlich höher als in den USA. Auch Stahl-Experte Hauser hat Defizite im WTC ausgemacht. So hätten Gipskartonplatten, die von den Wänden abgefallen waren, den Fluchtweg behindert. Diese von Stützen gehaltenen Platten sollten die darunter liegenden Stahlträger vor Brand schützen, wurden durch den Explosionsdruck aber weggeschleudert.

In Deutschland habe man diese Art des Brandschutzes bereits in den 70er Jahren aufgegeben, sagt Hauser. Für effektiven Brandschutz sorgen hier Platten, die die Bauteile kistenartig verkleiden. Auf die zusammengenagelten oder verklebten Kisten wird noch eine spezielle Substanz gespritzt. Die etwa fünf Zentimeter dicke Schicht soll den Träger vor zu starker Erwärmung schützen.

Der Stahl-Verband lässt derzeit untersuchen, ob diese Art der Ummantelung auch Explosionen, wie sie im WTC vorkamen, standhält. Sicherer ist man Hauser zufolge bereits jetzt dadurch, dass man die Träger links und rechts vollständig ausbetoniert.

Um die Überlebenschancen Eingeschlossener zu verbessern, sollten Rauchmelder und Sprinkler systematisch angeordnet werden, sagte der Brandexperte Reinhard Ries. Viel verspricht sich Ries von Druckluftschleusen in den Fluchttreppen, um das Nachströmen von Rauchgasen zu verhindern.

Wichtig seien auch Warnmeldesysteme, die Brandherde genau orten. Diese Einbauten seien in Frankfurter Hochhäusern bereits Standard, wenn auch manche Architekten und Bauherren wenig Verständnis für die Probleme des Brandschutzes zeigten. Speziell beklagt Ries die „kilometerlangen Kabelstränge sowie klimatechnischen Ausrüstungen, die die Gebäude oft wie einen Schweizer Käse durchlöcherten“. Neu sei die Senkung der Sauerstoff-Konzentration der Luft. Für Menschen sei das ungefährlich, doch ein Brand könne sich dann nur schwer entfalten.

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