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Gesundheit: Videos von Inter Nationes wollen Lust auf ein Studium wecken

Deutschland - wo liegt das? Deutschland - was ist das?

Deutschland - wo liegt das? Deutschland - was ist das? Wo es liegt, verrät ein Blick in den Atlas. Die Frage, was es ist, ist für ausländische Studierende schon schwerer zu beantworten. Wie gut, dass wir in Zeiten leben, in denen man sich bloß ein paar Videokassetten einschieben muss, um sich in ferne Länder zu katapultieren. Die vom Bund finanzierte Organisation Inter Nationes, die politische wie kulturelle Öffentlichkeitsarbeit leistet, verbreitet in einer Gesamtauflage von ungefähr 2000 Stück bewegte Deutschlandbilder in den Goethe-Instituten, Universitäten und Schulen des Auslands. Damit will Inter Nationes nicht nur aufklären über die Studienmöglichkeiten- und Studienorte, sondern natürlich auch ein bisschen Werbung für das Land machen.

Wie sich der erste Eindruck über Deutschland herstellt? Vielleicht kann man sich das so vorstellen: Während draußen der heiße Wind über staubige Straßen weht, sitzt ein Senegalese in seinem Klassenzimmer oder Seminarraum und guckt Video. Soll ich wirklich in Deutschland studieren? Diese Frage bewegt er in seinem Kopf, und plötzlich hört er zarte Weihnachtsglöckchen klingeln. "Weihnachten und die Zeit davor: einfach schön. Kein anderes Fest vermag das Gemüt so zu bewegen. Keine andere Zeit kann aber auch so anstrengend sein." Neben dem Sprecher, der mit seinen Statements das Video zusammenhält, treten auf: Lara, ein süßes, neunjähriges Mädchen, das Weihnachten sehr liebt ("Weihnachten ist schöner als Geburtstag, weil da alle Geschenke kriegen") und ein Psychologe, der sich mehr den Hintergründen widmet ("mit den in Zucker gebratenen Haferflocken - wie in der Nachkriegszeit - könnte man heute natürlich kein Weihnachtsfest mehr gestalten, sondern da muss dann unter Umständen schon der Mercedes auf dem Teller liegen, damit überhaupt noch irgendein Weihnachtsgefühl aufkommt").

Wahrscheinlich tippt sich der Senegalese jetzt an die Stirn, weil er es komisch findet, dass die Deutschen zu Weihnachten Autos essen. Und dann ist wieder der Psychologe dran: "Es ist nahezu unbegreiflich, wie die Leute sich plötzlich verändern. Noch gerade so bis Heilig Abend mittags das große Biest in der deutschen Wirtschaft und auf einmal werden die ganz sanft. Dann heißt es Liebe, Friede, und es gibt keinerlei Kampf in der Familie, alle sind auf eine ruhige Fröhlichkeit eingestimmt. Dieses Fest erlaubt einem doch, ein bisschen nett doof zu sein."

Was soll der Senegalese denken? Erwartet ihn im Land der Weihnachtsbäume wirklich nur an einem Tag im Jahr "ruhige Fröhlichkeit, Liebe und Friede"? Sind die Deutschen, wenn sie nett sind, gleich doof? Und womit hat er eigentlich im restlichen Jahr zu rechnen? Voller Zweifel legt er die nächste Kassette ein. Und sofort sind alle Zweifel ausgeräumt. Schon im schnell geschnittenen Vorspann sind alle ganz nett zueinander - und vor allem zu Ausländern. Ob sie doof sind, ist nicht zu erkennen. Lachende Studenten, die aus der Vorlesung strömen. Sich umarmende Studentinnen, die sich nicht nur in ihrer Arbeitsgruppe zu verstehen scheinen. Ja, Herzlichkeit existiert auch außerhalb der Weihnachtszeit. Der Senegalese atmet auf.

"In Berlin macht es Spaß zu studieren - es ist eine kosmopolitische Stadt", sagt einer. "Wer in Berlin studieren möchte, sollte das Leben in einer Großstadt gewohnt sein", sagt ein zweiter. Ganz anders präsentiert sich Tübingen. Klein, überschaubar, "mit guten Kneipen und romantischem Flair". Wenn der Betrachter nicht aufpasst, könnte er glatt den Eindruck gewinnen, in Tübingen studiert man in verrauchten Räumen an großen runden Holztischen, auf denen Bierkrüge und Weingläser stehen. Wenn man aufpasst, sieht man jedoch, dass Studenten auch dort Seminare und Vorlesungen besuchen und sogar hilfsbereite Kommilitonen in ihren Reihen haben, die den Fremden, der sich nicht traut, allein in eine Professoren-Sprechstunde zu gehen, an die Hand nehmen und sagen: "Ich komme mit."

Inter Nationes verfolgt mit diesen Videos, die in fast zehn Sprachversionen vorliegen, einen löblichen Ansatz. "Das deutsche Studiensystem ist für jeden Neuling schwer zu durchschauen", heißt es im Video. Das gilt besonders für Ausländer. Die Videos "Studieren in Deutschland" und "KuBus" beschränken sich nicht auf Informationen über die einzelnen Hochschularten, Zugangsvoraussetzungen und Landeskunde. Man erfährt zudem, welche Hilfen man als Ausländer in Anspruch nehmen kann, zum Beispiel in den akademischen Auslandsämtern. Daneben berichten ausländische Studenten von ihren Erfahrungen in deutschen Universitätsstädten. Diese sind, wie sollte es auch anders sein, natürlich insgesamt positiv - wenngleich problematische Aspekte nicht unter den Tisch fallen.

So erzählt ein tunesischer Informatikstudent, die ersten zwei Semester an der Berliner TU seien "schlimm gelaufen". Es war "laut", es war "überfüllt", und die Profs hätten "keine Rücksicht auf die Sprachprobleme" genommen. Sein Rat: Man muss "mutig sein", "wissen, wie man sich durchsetzt" und "seine Meinung sagen". Inzwischen habe er sich "eingelebt". Ähnlich schwer war der Anfang für einen Mineralogie-Studenten aus Somalia. Selbst in einer kleineren Stadt wie Aachen habe er "unter Einsamkeit gelitten", da er die Zusammenhänge - auch im Alltagsleben - nicht sofort verstanden habe. "Es gab viele Missverständnisse" und viele ungelöste Fragen. Zum Beispiel: "Warum läuft man in Deutschland so schnell?"

Andere Schwierigkeiten sind eher oberflächlicher Art. Ein Peruaner hat Probleme mit dem Wetter - "diese Kälte und der Regen". Die Wetterfrage ist nicht zu unterschätzen. Zwar kann man die mittleren Temperaturen auch den Klimakarten der Atlanten entnehmen, doch gesprochen von einem, der unter dem hiesigen Winter richtig gelitten hat, ist es natürlich viel eindrucksvoller. Aber eben doch nicht selbst erlebt. Da kann der Senegalese noch so viele Videos gucken. Wenn er nach Deutschland kommt, wird er überrascht sein, wie kalt es werden kann. Darauf kann ihn das Videoband nicht vorbereiten. Aber wenn man friert, ist Weihnachten ja nicht mehr fern. Und dann wärmt, wie er gelernt hat, die Liebe.

Tom Heithoff

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