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Gesundheit: Viel Ehre, viele Feinde

Der Präsident der Humboldt-Universität will wiedergewählt werden. Doch es gibt Widerstände

Jürgen Mlynek hat seinen Hut in den Ring geworfen. Vor dem Akademischen Senat gab der Präsident der Humboldt-Universität gestern bekannt, dass er erneut kandidieren will. Seine Kandidatur ist jedoch keineswegs bloße Routine, seine Wiederwahl keineswegs sicher. Denn die nach außen so glänzend dastehende Humboldt-Universität ist im Inneren labiler als die Meisten ahnen.

In zahlreichen Rankings kommt die Humboldt-Universität unter die besten deutschen Universitäten. Aber zählt das bei der Wahl für den Kandidaten Mlynek? Der Präsident hat viele Kritiker. Die einen meinen, er identifiziere zu viel von dem Glanz, der eigentlich den Wissenschaftlern gebührt, mit seiner Person. Anderen passt die Ausrichtung nicht, die der selbstbewusst auftretende 53-jährige Physiker der Universität geben will.

Die Vision des Leibnizpreisträgers und einstigen Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist klar: Er will der Humboldt-Universität im Elitewettbewerb einen Spitzenplatz unter den deutschen Universitäten sichern. Aber sein guter Draht zum Bundeskanzler und zu Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn ist bei der Präsidentenwahl nicht unbedingt vorteilhaft. Mlynek verprellt damit diejenigen, die beim Wort Elite rot sehen und an der Humboldt-Universität die Viertelparität einführen wollen, das gleichberechtigte Stimmrecht für alle Gruppen in der Universität. Das aber wäre aus Mlyneks Sicht ein „Rückfall in die Steinzeit“.

Sollte die Humboldt-Universität im Elitewettbewerb vom Berliner Senat im Stich gelassen werden, drohen schwere interne Konflikte. Denn dann müsste die Universität weitere Millionen sparen, um den Landesanteil im Bund-Länder Programm für die Exzellenzförderung selbst zu finanzieren.

In den letzten Monaten formierte sich – zum Entsetzen vieler Professoren – ein deutlicher Widerstand gegen Mlynek. Da wird ihm vorgeworfen, in „Gutsherrenart“ an den Gremien vorbei zu agieren, nicht die Belange der Beschäftigten zu vertreten und die Humboldt-Universität kommerziell zu vermarkten. Es ist wahr, dass Mlynek mit dem Ziel angetreten ist, nach amerikanischem Vorbild durch Fundraising Geld in die Universität holen. So hatte er Teile des Hauptgebäudes an McKinsey vermietet. Jetzt werfen ihm Studenten, Mitarbeiter und Dienstkräfte vor, er habe hingenommen, dass Ordnungskräfte der Unternehmensberatung Beschäftigte und Studenten wie Terroristen behandelt hätten.

Wenige Wochen zuvor hatte das Konzil einen Schuss gegen Mlynek losgelassen: Mit dem Argument, auch das Präsidium solle sparen, wurde das Vizepräsidentenamt für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising für die Zukunft gestrichen. Das Konzil ist aber das Gremium, von dem Mlynek gewählt werden will.

Dazu muss er bei der Präsidentenkür im kommenden Februar die absolute Mehrheit erringen – das sind mindestens 31 von 61 Stimmen. Die Professoren sind zwar mit 31 Mandatsträgern die stärkste Gruppe im Konzil, aber wenn nur wenige Professoren aus der Reihe tanzen, ist jeder Bewerber auf Stimmen aus den anderen Gruppen angewiesen. Jeweils zehn Mandatsträger stellen die Studenten, die sonstigen Mitarbeiter (Dienstkräfte) und die Wissenschaftlichen Mitarbeiter. Besonders kritisch ist die Lage, sollte Mlynek als einziger Kandidat antreten. Denn dann entscheidet sich alles im ersten und dann einzigen Wahlgang: Mlynek braucht 31 Ja-Stimmen. Stimmt die Mehrheit mit nein oder enthält sich, fällt er durch. Auf diese Weise kann man den Star, der vom Renommee so stark erscheint, dass sich kein anderer Herausforderer hervorwagt, mit Leichtigkeit im Schutz der Wahlurne absägen. Kenner der Szene sagen: „Wenn Mlynek Glück hat, gewinnt er gerade 31 Stimmen im ersten Wahlgang mit einer so geringen Mehrheit, dass es für ihn beleidigend wäre.“ Treten mehrere Kandidaten zur Wahl an, sind die Chancen für Mlynek besser. Denn dann gibt es mehrere Wahlgänge.

Wahltage sind Zahltage: Tage der politischen und menschlichen Abrechnung. Aus einer merkwürdigen Mischung von Interessen, Ressentiments, Enttäuschungen und auch politischen Utopien können sich plötzlich Mehrheiten herauskristallisieren. An der Humboldt-Universität erinnert man sich noch gut an das Debakel bei der Präsidentenwahl vom Juni 2000, als der renommierte Verfassungsrechtler und Hochschulreformer Hans Meyer in drei Wahlgängen abserviert wurde. Die Anhänger des damaligen HU-Präsidenten unter den Professoren hatten nicht im Traum damit gerechnet, dass Meyer in drei Wahlgängen die absolute Mehrheit verfehlen würde gegenüber einem unbekannten Gegenkandidaten, einem Informatiker aus den USA. Stammte doch von Hans Meyer die wegweisende Reformsatzung, die der Humboldt-Universität trotz aller Sparbelastungen den Weg in eine Zukunft wies, wo sie sich mit mehr Autonomie profilieren konnte. Doch die Studenten und Mitarbeiter stimmten damals überwiegend für den Nobody aus den USA. Feindschaften können langlebig sein. Die Studentenvertreter hatten 1998 eine Duftmarke setzen wollen mit dem ersten von Studenten gestellten Vizepräsidenten für Lehre und Studium an einer deutschen Universität. Die Mehrheit der Professoren setzte jedoch eine gestandene Wissenschaftlerin als Vizepräsidentin durch. Diese Niederlage haben die Studenten nicht vergessen.

Wenn es an den Berliner Universitäten eine politisierte Studentenvertretung gibt, dann an der Humboldt-Universität. Stets gut vorbereitet, um mit sachlichen Argumenten in die Schwachstellen professoraler Argumente zu stoßen, mit den Tricks der Geschäftsordnung vertraut und mit Lust an Provokationen haben sie manchen Erfolg errungen. Man wird sehen, ob die Studenten im Winter erneut vorschlagen werden, einen Vizepräsidenten aus ihren Reihen zu akzeptieren.

Mlynek war mit den harten Auflagen der Politiker konfrontiert, 28 Millionen Euro einzusparen. Doch er wollte nicht mit dem Rasenmäher vorgehen, sondern die Chance nutzen, der Universität eine neue Struktur zu geben. Ein großes Opfer sollte die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät erbringen. Diese Riesenfakultät war in der DDR aufgebaut worden, als die Landwirtschaft in der Entwicklungspolitik noch eine große Rolle spielte. Die Gremien haben diese Radikalkur verhindert und Mlynek eine Rasenmäherpolitik aufgezwungen. Doch Verletzungen sind zurückgeblieben. Hinzu kommt: Wer als Präsident Tarifverträge für die Beschäftigten gekündigt hat, kann sich den Zorn der gewerkschaftlich organisierten Universitätsmitglieder zuziehen. Wird sich all das bei der Präsidentenwahl niederschlagen?

Uwe Schlicht

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