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Gesundheit: Vier Biodiesel-Motoren produzieren Wärme, Kälte und Strom

Wissenschaftler der Uni Stuttgart überwachen die ungewöhnliche AnlageFrank van Bebber Wie viel heiße Luft produziert der Deutsche Bundestag? Im Plenarsaal mag das umstritten sein, im Heizungskeller des Reichstags messen es Stuttgarter Wissenschaftler bis auf mehrere Stellen hinter dem Komma genau.

Wissenschaftler der Uni Stuttgart überwachen die ungewöhnliche AnlageFrank van Bebber

Wie viel heiße Luft produziert der Deutsche Bundestag? Im Plenarsaal mag das umstritten sein, im Heizungskeller des Reichstags messen es Stuttgarter Wissenschaftler bis auf mehrere Stellen hinter dem Komma genau. Im Tiefgeschoß des Parlamentsgebäudes hat die Berliner Republik bereits eine neue Dimension erreicht: Vier Dieselmotoren mit 2176 Pferdestärken sorgen brummend für Strom, Wärme und Kälte im Parlamentsviertel, vier weitere werden in einem Nachbarbau installiert. "Eine in Deutschland ziemlich einmalige Anlage", sagt Diplom-Ingenieur Andreas Heinz (29) vom Institut für Energie-Wirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Uni Stuttgart. Denn die Motoren verbrauchen kein Heizöl, sondern Biodiesel. Heizen mit aus Raps hergestelltem Biodiesel, einem Rohstoff, der auf Feldern wächst? Die Stuttgarter Forscher, führende Experten für Energie- und Heiztechnik, sollen im Bundesauftrag bis 2001 herausfinden, wie umweltfreundlich, teuer und zuverlässig das ist. Dabei merken die schwäbischen Wissenschaftler vom einmaligen Ort ihrer Arbeit kaum etwas - für sie ist Heizung gleich Heizung. Und ob über ihren Köpfen der Bundestag eine Sitzung hat, ist für die Forscher nur interessant, weil die Motoren wegen der vielen Treffen und Sitzungen an Debattentagen mehr leisten müssen. "Aus Sicht der Wissenschaft ist das ein Auftrag wie jeder andere auch", sagt Heinz. In ihren Stuttgarter Instituten werten die Wissenschaftler die Berliner Meßdaten aus. Heinz berechnet für seine Ökobilanz zudem, was Traktoren und Raffinerien bei der Produktion von Biodiesel und Heizöl an Schadstoffen produzieren. Ein dickes Plus bekommt die Reichstagsanlage von den Forschern, weil sie mit der bei der Stromproduktion entstehenden Wärme Wasser aufheizt. Das 70 Grad heiße Wasser, das nicht sofort in die Heizungsrohre fließt, wird 300 Meter tief unter die Erde gepumpt und dort für kalte Tage gespeichert. Ein zweites natürliches Wasservorkommen in 60 Meter Tiefe dient mit Temperaturen bis zehn Grad als Kältespeicher.

Für Besucher des Reichstags ist diese Untergrund-Organisation im Berliner Politikbetrieb so unsichtbar wie der Kraftwerks-Schornstein, der in einem der vier Ecktürme endet. Filter und Katalysatoren sollen verhindern,. dass das Parlament trotz Biodiesels zur Dreckschleuder wird. Diplomand Reimar Hartmann (30) von der Arbeitsgruppe Luftreinhaltung der Uni Stuttgart misst die Werte bis 2001 jeweils vier Mal pro Woche. "Wir erwarten sehr günstige Abgaswerte", sagt Hartmann. "Biodiesel hat direkte ökologische Vorteile, er reduziert die Treibhausgas-Freisetzung." Hartmann hatte seine Meßgeräte zur Verwunderung der Wachbeamten mit einem Pferdetransporter zum Reichstagsportal gebracht. Die Stuttgarter Forscher konnten die Beamten dann beruhigen. Vor ihrem ersten Besuch hatte das Bundeskriminalamt die Wissenschaftler überprüft. Schließlich könnten die Forscher im Heizungskeller mit einem falschen Knopfdruck den ganzen Bundestag kalt machen.

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