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Gesundheit: Virchows Zellen

Eine Ausstellung zum 100. Todestag des Berliner Arztes würdigt ihn als Universalgelehrten

Eine bemalte Wiege aus dem 18. Jahrhundert, Präparate menschlicher Organe und Skelette, Tongefäße aus Troja, Fotos von Feuerländern und Eskimos: All diese Objekte belegen jeweils eines der vielen Tätigkeitsfelder des vielleicht letzten großen Universalgelehrten. Rudolf Virchows Todestag nähert sich am 5. September zum hundertsten Male – Anlass für das Berliner Medizinhistorische Museum, dem populären und weltberühmten Berliner Forscher und streitbaren liberalen Politiker eine Ausstellung zu widmen. Der Titel der Ausstellung „Virchows Zellen – Zeugnisse eines engagierten Gelehrtenlebens in Berlin“ spielt auf Virchows Zellpathologie an. Sie betrachtet den Organismus als demokratischen Verbund gleichberechtigter Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben und Fähigkeiten – eine Lehre, die große Teile der medizinischen Forschung noch heute bestimmt. Zum anderen sind mit „Virchows Zellen“ die unterschiedlichen wissenschaftlichen Sparten des unermüdlichen Forschers und Sammlers gemeint.

Nur zwei davon erwähnt eines der alten, zu Virchows Ehren umgetexteten Lieder, die bei der Eröffnung ein Männersextett des Staatsopern-Konzertchors sang: „Virchow gräbt die Töpfe, doch er misst auch Köpfe. . .“, vorgetragen zuerst 1895 auf einer Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft.

So zeigt denn auch eine der „Zellen“, in die sich die Ausstellung gliedert, einige der von Virchow vermessenen Schädel, eine andere Keramik-Töpfe aus der bronzezeitlichen Lausitz-Kultur und aus Troja. Eine Gruppe von Frauen am Nil mit zeitlos-schönen Wasserkrügen auf dem Kopf hat Virchow selbst fotografiert, als er zusammen mit Schliemann Ägypten bereiste.

Als Wegbereiter der prähistorischen Archäologie publizierte der Pathologe mehr als über sein eigentliches Fachgebiet: 1121 Artikel. Und seine archäologische Sammlung umfasste mehrere tausend Objekte. Er vermachte sie der damaligen prähistorischen Abteilung des Museums für Völkerkunde – heute Museum für Vor- und Frühgeschichte. Es ist ebenso Mitveranstalter der Ausstellung wie das Museum Europäischer Kulturen (früher Volkskundemuseum) und das Ethnologische Museum sowie die Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Diese Gemeinschaftsausstellung zeigt, wie viel Berlin, und nicht nur seine Museumslandschaft, auch heute noch Virchows multidisziplinären Interessen, seiner Initiative und seiner Sammelwut zu verdanken hat. Sie dokumentiert Virchows Meriten um Berlin und sein überregionales politisches Wirken vielfältig: mit Plänen für Krankenhäuser und die Kanalisation, für die er sich stark machte, mit Dokumenten zu seinem karriereschädlichen Engagement für die 48er Revolution, einem Wahlaufruf seiner „Fortschrittspartei“ oder einer Karikatur des von ihm abgelehnten Duells mit Bismarck.

Sein Wirken in der Pathologie dokumentieren Präparate und dickleibige Bände voller handgeschriebener Sektionsprotokolle. Sein Schreibtisch, der meist unter einem „geordneten Chaos“ verschwand, ist so hergerichtet, als sei Virchow nur mal kurz aufgestanden. Der Betrachter erfährt, wie der gesunde Körper samt seinen Organen aussieht und wie die wichtigsten Krankheiten diese Organe oder auch den Stütz- und Bewegungsapparat verändern. Er lernt, was Pathologen eigentlich tun, und schließlich kann er sogar selbst durchs Mikroskop schauen. Rosemarie Stein

Berliner Medizinhistorisches Museum, Schumannstraße 20/21 (Charité-Campus Mitte), Telefon 45 05 36 199 / 122. Bis 27. Oktober, Di bis So 10-17, Mi 10-19 Uhr.

Es gibt ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, Führungen, Filmen und einer Pathologie-Tagung.

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