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Gesundheit: Von Shakespeares Historien bis zum afrikanischen Tanz

Von den dreihundert deutschen Graduiertenkollegs befinden sich über zehn Prozent in Berlin und Brandenburg.Die Humboldt-Universität hat mit 16 die meisten Kollegs, davon eines gemeinsam mit der Universität Potsdam.

Von den dreihundert deutschen Graduiertenkollegs befinden sich über zehn Prozent in Berlin und Brandenburg.Die Humboldt-Universität hat mit 16 die meisten Kollegs, davon eines gemeinsam mit der Universität Potsdam.An der FU gibt es sieben, an der TU fünf und an der Hochschule der Künste eins.An verschiedenen Kollegs sind mehrere Universitäten beteiligt.Wir werden in den kommenden Wochen eine Reihe von Graduiertenkollegs vorstellen.

Der Körper boomt."Man braucht nur eine Zeitung oder wissenschaftliche Zeitschrift aufzuschlagen, und schon findet man irgendetwas zu dem Thema", sagt Stefani Brusberg-Kiermeier.Ob es um Fitness- und Schönheitskult geht, um Maskerade, die Kleidung von Politikern, um weibliche Körpersprache oder um "den erschriebenen Körper in Tagebüchern" - überall drängt sich der Leib in den Vordergrund.Manch einer hat schon das Paradox konstatiert, daß der Körper gerade in dem Moment zum Objekt gesteigerten wissenschaftlichen Interesses wird, in dem er seine reale Bedeutung immer mehr verliert: Dank moderner Medien wird die körperliche Präsenz zunehmend überflüssig.

Daß die wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Körper seit gut zehn Jahren ausufern, ist anregend - einerseits.Andererseits erschwert es die Konzentration auf das eigene Spezialgebiet.Stefani Brusberg-Kiermeier will ihre Doktorarbeit über "Körper-Inszenierungen in Shakespeares Historien" schreiben.Seit knapp einem Jahr ist sie Stipendiatin am FU-Graduiertenkolleg "Körper-Inszenierungen" - und kämpft damit, über all den Anregungen, die sie hier und in der kulturwissenschaftlichen Literatur bekommt, nicht Shakespeares Historien zu vernachlässigen.

Das Graduiertenkolleg "Körper-Inszenierungen", räumlich angesiedelt im FU-Institut für Theaterwissenschaft in der Mecklenburgischen Straße, hat seine Arbeit im Wintersemester 1997 aufgenommen.Hier forschen 16 Doktoranden, neun Frauen und sieben Männer, an Promotionsthemen wie "Afrikanisch Tanzen - oder: Eine Reise in die eigene Fremde der Körperlichkeit", "Sprachkörper.Eine Analyse der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik unter dem Aspekt von Körper und Identität" oder "Sprechende Körper als Zeichen der minne in Konrads von Würzburg späthöfischen Romanen".

Statt alleine vor sich hinzuforschen, können die Kollegiaten in einem Doktorandenraum mit - dank einer FU-Finanzspritze - neuester EDV arbeiten und nehmen an einem interdisziplinären Rahmenprogramm teil: Im Sommersemester zum Beispiel gab es an der FU einmal in der Woche eine Ringvorlesung zum Thema "Körper-Inszenierungen" und verschiedene Blockseminare.Zentraler Bestandteil des Programms ist das obligatorische Forschungskolloquium.Jeden zweiten Mittwoch abend treffen sich die Doktoranden im kargen Seminarraum des Theaterwissenschaftlichen Instituts, verteilen Cracker und Kräuterkäse auf dem langen Tisch und erleben etwas in der Massenuniversität höchst Ungewöhnliches: Ungefähr sieben Professoren hören ihnen zu.

An dem Graduiertenkolleg "Körper-Inszenierungen" sind 14 FU-Professoren und ein HU-Professor beteiligt, und etwa die Hälfte von ihnen ist bei jedem Colloquium anwesend - darunter der Anglist Manfred Pfister, der Literaturwissenschaftler Gert Mattenklott, die Ethnologin Ute Luig, die Germanistin Ingrid Kasten, der Romanist Klaus Hempfer, der Publizist Hermann Haarmann und der Sportphilosoph Gunter Gebauer.Wenn jeweils zwei der Kollegiaten ihre Arbeiten vorstellen, lauschen sie geduldig und loben oder kritisieren dann.Warum haben Sie nicht den Text Y in Ihre Analyse einbezogen? Ihre Leitbegriffe scheinen mir nicht treffend, wieso benutzen Sie nicht lieber Begriff Z? "Wir machen hier keine Kuschel- und Grundschulpädagogik", stellt die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte, die Sprecherin des Kollegs, klar."Die Kollegiaten sollen lernen, mit Kritik umzugehen."

Gleichzeitig soll das Gespräch zwischen den Disziplinen geübt werden.Sowohl die Doktoranden als auch die Professoren kommen aus ganz unterschiedlichen Fächern, denn die Inszenierung des Körpers kann von der Ethnologie über die Literatur- bis hin zur Politikwissenschaft in vielen Disziplinen interessant sein.Als Modellfach kann aber die Theaterwissenschaft gelten, meint Erika Fischer-Lichte, die in Mainz bereits ein Graduiertenkolleg zum "Theater als Paradigma der Moderne" geleitet hat.Im Theater nämlich treten stets (Schauspieler-)Körper auf, und immer sind sie inszeniert: durch Bewegungen und Gesten, Lautstärke und Modulation der Stimme, Kostüme und Masken."Für uns ist es wichtig, daß der Körper nicht nur als Objekt betrachtet wird, in den sich kulturelle Normen einschreiben", erklärt Fischer-Lichte."Der Körper muß auch als Agens, als Akteur berücksichtigt werden: Wir haben nicht nur einen Körper, wir sind auch einer.In Körper-Inszenierungen tritt sowohl das Körper-Sein wie das Körper-Haben in Erscheinung."

Die Bühne ist ein Ort, wo Körperlichkeit sehr unmittelbar "in Szene gesetzt" wird.Aber auch die Inszenierung von Körperlichkeit in Texten, Fotos, Medien ist von Interesse: Kollegiat Hans Honnacker beispielsweise schreibt seine Doktorarbeit über die Frage, wie in Renaissance-Dialogen die Körperlichkeit der - nur im Text vorhandenen - Gesprächspartner behandelt wird.Betreut werden die Kollegiaten und Arbeitsgruppen von zwei Postdoktoranden, die sich neben ihren eigenen Forschungen auch um die Finanzverwaltung des Kollegs kümmern und auswärtige Gäste einladen.Beide, Christof Kalb und Anne Fleig, wissen, wie es ist, ohne Graduiertenkolleg zu promovieren.Und sie sagen übereinstimmend: "Der große Vorteil eines Graduiertenkollegs ist, daß es hier die institutionalisierte Möglichkeit gibt, mit anderen ins Gespräch zu kommen."

Graduiertenkolleg "Körper-Inszenierungen", Mecklenburgische Straße 56, 14197 Berlin, Telefon 824 001 14.

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