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Gesundheit: Vorfahrt für die Lehre

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Das Studium an den Hochschulen wird grundlegend reformiert. Der Bachelor-Abschluss soll in drei Jahren erreicht werden. Um den Stoff zu bewältigen, wird die jährliche Vorlesungszeit auf bis zu 45 Wochen und die Zahl der Vorlesungs- und Übungsstunden pro Woche auf bis zu 40 erhöht. Zugleich ist mit einem Anstieg der Studierendenzahl von derzeit rund zwei auf 2,7 Millionen zu rechnen. Um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können, bedarf es einer Aufstockung des Personals, damit genügend Kräfte für die Lehre verfügbar sind. Ob dies gelingt, ist nicht abzusehen.

Erfreulich ist, dass sich das Augenmerk der Hochschulen, von Politikern und Ranking-Experten auch zunehmend auf die Qualität der Lehre richtet. So schwer es festzustellen ist, was „gute Lehre“ ausmacht – Anerkennungen in Form von Preisen, wie sie jüngst von der Rektorenkonferenz und dem Stifterverband verliehen wurden, sind ermutigende Zeichen.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch so viele Bemühungen, mehr Personal einzustellen, und Anreize, Lehrveranstaltungen so effektiv wie möglich zu gestalten, für die Studierenden höchstens „die halbe Miete“ sind. Entscheidend bleibt die eigene Anstrengung, die persönliche Arbeit, das Lernen nicht nur durch den passiven Konsum des Dargebotenen. Ein rhetorisches Feuerwerk von Professoren und aufheiternde Gags können zwar studentische Zuhörer begeistern, verführen aber auch zu der Illusion, man habe die Zusammenhänge verstanden. Manch weniger glänzender Vortrag, mühevoll durch Lektüre und Erarbeitung von schriftlichem Material nachvollzogen, hat länger anhaltende Wirkung.

Das soll nun kein Plädoyer für komplizierte Vorlesungen und gegen spritzige Darlegungen sein. Aber es soll deutlich machen, dass ein noch so reichhaltiges und qualitativ hervorragendes Angebot niemals das Selbststudium ersetzen kann. Das gilt auch für den Umfang des Stoffs. Was für eine Pennälermentalität, wenn Studierende auf Fragen erwidern, dass der Gegenstand in der Vorlesung nicht „dran“ gewesen sei. Wenn die Studierenden nicht lernen, mit dem verfügbaren Material umzugehen, wenn sie sich die Materie nicht selbst erarbeiten, wenn sie sich nur passiv berieseln lassen und nicht aktiv rezipieren, was vorgeführt wird, fruchten alle Bemühungen der Lehrenden nicht.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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