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Gesundheit: Warten auf ein Wunder

Nie zuvor sind in der Region so viele Studienbewerber abgelehnt worden. Und jetzt? Drei Opfer des Numerus clausus berichten

Eigentlich wollte ich Stadt und Regionalplanung studieren, das ist nur in Cottbus, Kassel und an der Technischen Universität Berlin (TU) möglich. Nach Cottbus – das muss nicht sein. Und von der TU habe ich gerade den Ablehnungsbescheid bekommen. Das war der totale Schock. 308 Bewerber auf 75 Plätze, und davon wurden nur 45 nach Numerus clausus vergeben und 30 nach Wartezeit. Ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass es nicht klappt! Letztes Jahr lag der NC doch noch bei 2,7. Das hätte locker gereicht. Aber jetzt braucht man ein Abi mit 2,1. Ich müsste wahrscheinlich vier Semester warten, bis ich einen Studienplatz bekomme. Schön blöd! Ich werde mich jetzt für einen Praktikumsplatz bewerben, was völlig ohne Erfahrung schwer sein wird. Aber nur so kann ich sehen, ob sich das Warten wirklich lohnt. Im Moment bin ich da jedenfalls ziemlich unsicher – ein Jahr herumsitzen ist schon eine verdammt lange Zeit.

Wenn alle Stricke reißen, würde ich auch aus Berlin weggehen. Kassel oder Cottbus? Dafür würde mein Abi auf jeden Fall reichen. Wenn die TU mich also nächstes Jahr wieder ablehnt, werde ich auf jeden Fall woanders hingehen, denn noch ein Jahr möchte ich nicht warten. Im ersten Moment habe ich mich so gefühlt, als ob ich in ein riesiges schwarzes Loch gefallen wäre. Jetzt versuche ich mich neu zu orientieren und die Zeit sinnvoll zu nutzen: Auf jeden Fall werde ich mir eine Gasthörererlaubnis von der Uni besorgen, so kann ich wenigstens in mein Wunschstudium „reinschnuppern“ und ein paar Veranstaltungen besuchen. Vielleicht kann ich auch schon ein paar Scheine machen. Außerdem habe ich mich an der Volkshochschule für einen Computerkurs eingeschrieben.

Schade finde ich, dass ich als Berlinerin jetzt irgendwo anders studieren muss. Hoffnung, dass ich doch noch in letzter Sekunde einen Studienplatz über das Nachrückverfahren bekomme, habe ich wenig: Da müsste schon ein großes Wunder passieren.

Vor drei Wochen habe ich die Absage von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) bekommen. Es ist doch unglaublich, dass ich mit einem Abi-Durchschnitt von 2,1 nirgends in Deutschland einen Studienplatz bekomme. Mindestens fünf andere aus meinem Abi-Jahrgang haben sich auch für Medizin beworben – alle wurden abgelehnt. Jetzt bleiben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich sitze die Wartesemester ab, oder ich klage mich ein. Aber wer will schon einfach nur warten? Und selbst wenn ich vom Gericht Recht bekomme, ist das noch keine Garantie auf einen Studienplatz. Denn je mehr Kläger es gibt, desto geringer ist die Chance, dass ich noch einen der „zusätzlichen“ Studienplätze bekomme. Bis das entschieden ist, hat das Semester schon längst begonnen. Also bleibt im Endeffekt doch nur: Warten.

Für einen Studiengang mit niedrigerem NC kann ich mich ja nicht mehr bewerben, das ist jetzt zu spät. Ich weiß gar nicht so richtig, was ich machen soll. Es erklärt einem ja auch keiner was! Ich habe mich mal bei einigen Privatunis erkundigt, da wird man ganz anders behandelt. Der Vorteil: Sie sind zuvorkommend, die Seminare sind nicht so überfüllt, und sie bemühen sich um einen. Der Nachteil: Sie sind teuer. Bei der ZVS und den staatlichen Unis läuft es ganz anders, da schickst du im Juli deine Bewerbung ab, und Ende September bekommst du ein Schreiben: abgelehnt. Da bleibt nicht mal Zeit, sich was anderes zu überlegen, die Einschreibefrist ist ja schon vorbei. Ich habe ein ganzes Semester verloren – und außerdem die Lust aufs Studium. Liebes Bildungsministerium, wundert es Sie wirklich, dass so wenig Menschen studieren? Mich wundert das nicht!

Eigentlich wollte ich ja heute den ersten Tag an der Uni sein. Freitag fertig mit dem Zivildienst, und Montag geht’s los mit dem Studium. Dachte ich. Leider hat es jetzt doch nicht geklappt. Ich hatte mich für Geoökologie an der Uni Potsdam beworben. Vorher war ich ein paar Mal an dem Institut, habe mich mit Professoren unterhalten und eine Studienberatung mitgemacht. Außer in Potsdam kann ich Geoökologie nur in Tübingen, Freiberg und Bayreuth studieren, aber eben auch mit ganz anderen Vertiefungsmöglichkeiten. Potsdam, das wär’s gewesen! Mit zwei Wartesemestern und meinem Abi-Durchschnitt dachte ich, dass es kein Problem sein dürfte, einen Studienplatz zu kriegen. Im letzten Jahr hätte es auch geklappt. Aber jetzt müsste ich trotz zwei Wartesemestern ein Einser-Abi haben. 230 Bewerber auf 54 Plätze, da hatte ich einfach keine Chance!

Schade finde ich, dass der Zivildienst nicht höher angerechnet wird, schließlich habe ich mich da bei der Altenpflege und Blindenbetreuung ganz schön abgerackert. Bleibt die Frage, was ich jetzt machen soll. Ein Praktikum? Ausland? Das kann ich mir gar nicht leisten, schließlich muss ich meine Wohnung bezahlen und von irgendetwas leben. Bafög kriege ich ja jetzt nicht. Vielleicht bekomme ich im nächsten Jahr einen Platz, aber das ist eine ganz schön lange Wartezeit! Außerdem gibt es ja keine Garantie. Eigentlich bin ich ein sehr optimistischer Mensch, aber dass es im nächsten Jahr besser wird, kann ich einfach nicht glauben.

Wahrscheinlich werden eher noch mehr Studienplätze abgebaut und der NC wird noch verschärft. Deshalb werde ich mich dann zusätzlich für eine Ausbildung als biotechnischer Assistent bewerben. Danach könnte ich ja immer noch studieren – allerdings bin ich dann erst mit 30 fertig, und mit 50 will ja schon keiner mehr, dass ich bei ihm arbeite! Und da heißt es immer, dass deutsche Studenten zu alt sind. Protokoll: jvm

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