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Gesundheit: Warum Studenten keine Zeit für das Fest der Liebe haben (Kommentar)

Ich habe nichts gegen Weihnachten. Wirklich nicht.

Ich habe nichts gegen Weihnachten. Wirklich nicht. Krippenspiel, Weihrauch, Lametta, Geschenke, alles hübsch und nett. Aber für das Studium müssen wir die Dinge nüchtern betrachten: Weihnachten hält auf. Weihnachten frustriert. Weihnachten muss weg. Alle Jahre wieder prallen die üblichen Verwandten an Gabentisch und Festtafel aufeinander. Meine Wachstumsfortschritte kommen als Gesprächsthema nicht in Frage - weil ich doch ein gutes Jahrzehnt nach Ende der Pubertät partout nicht mehr wachsen will. Nur um überhaupt etwas zu sagen, sagt man also etwas, dass derjenige nicht mehr hören kann, der es hören soll. Etwa: "Wie lange dauert dein Studium eigentlich noch? Du verdienst doch bestimmt bald mehr als wir alle zusammen?" Ein Bringer-Thema. Natürlich returniert Vater prompt mit dem dezenten Hinweis auf sein nur achtsemestriges Maschinenbaustudium in den späten 50ern. Natürlich prangere ich lustlos lausige Bibliotheken und zusammengestrichene Dozentenstellen an. Natürlich aber liegt das Problem nicht tiefer, sondern quasi auf dem Gabentisch. Natürlich heißt dieses Problem: Weihnachten.

Was der A-Klasse der Elchtest, ist mir der Rentiertest: Wenn Santa Claus auf seinem Schlitten um die Ecke zuckelt, kippt er mich aus der Spur. Denn gerade sind Pauken für die Semesterprüfung und Büchersuche für die Hausarbeit so einigermaßen mit den sonstigen Alltagsbedürfnissen (Essen, Party, Schlafen, Sex) im Einklang, da bringt mich Weihnachten auch schon wieder aus dem Rhythmus. Wochenlanges Irrlichtern in heiligumnachteten Geschenkabteilungen der Kaufhäuser und mentales Trockentraining für stundenlange Harmoniegarantie sind mit konzentriertem Studium schlichtweg unvereinbar. "Stille Nacht, heilige Nacht", still ruht auch der Studienplan. Besinnlichkeit verlängert das Studium, und wer zahlt? Genau, Eltern und Steuerzahler.

Ehe der Lernrhythmus wieder gefunden ist, ist das Semester vorbei und verloren. Und von den Auswirkungen der wohligen mütterlichen Verwöhnorgien auf das Lebendgewicht wollen wir jetzt mal gar nicht erst anfangen. Deshalb: Weihnachten abschaffen, basta! Zumindest für Studenten. Oder wenigstens die Zeit dazwischen strecken. Nur alle zwei Jahre Weihnachten wäre zur Not auch noch okay. Das hat wenigstens System: Vier Semester, Zwischenprüfung, Weihnachten. Weitere vier Semester, Diplomprüfung, Weihnachten. Kinder machen, Doktorarbeit, Weihnachten. Ab dann von mir aus wieder jedes Jahr das Frohe Fest, wegen der Kinder, Familie. Weil ich doch nichts gegen Weihnachten habe. Aber kein Semester früher.

Erik Heier

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