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Gesundheit: Was einen guten Lehrer ausmacht

In Zukunft soll es klare Standards für die Ausbildung von Pädagogen geben

Die Frau ist jung, hat das Handy am Ohr und die Aktenmappe in der linken Hand. Auf Inlineskates gleitet sie über die Straße. Ein Bild aus dem Alltag soll die Schüler motivieren, ihre Fantasie spielen zu lassen: Welchen Job übt die junge Frau aus, wie könnte sie ihr Privatleben gestalten, was hat sie für Hobbys? Das Bild macht neugierig und bietet die Vorlage für die Schüler, einen Aufsatz in englischer Sprache zu schreiben. Was die Schüler aufgeschrieben haben, wird nach Kompetenzstufen analysiert: Wer nicht nur einfache Informationen aus dem Bild gewinnt, sondern einen durchgängigen Argumentationszusammenhang zu Papier bringt, zeigt auf diese Weise, dass er ein Urteil ableiten und begründen kann. Dieser Schüler erreicht die oberste Kompetenzstufe.

So funktionieren Bildungsstandards. Sie bieten einen bessere Einschätzung von Schülerleistungen als auf den Zeugnissen notierte Noten. Nun hat die Kultusministerkonferenz auch Standards für Lehrer verabschiedet. Bei den Examina an der Universität, im Referendariat und in der Fortbildung sollen die Standards überprüfbar machen, was ein Lehrer wirklich kann. In Deutschland wissen die Politiker und die Wissenschaftler wenig Verlässliches über die Schulpraxis. Aber über eines sind sich die Schulpraktiker schon lange klar: Weder das erste noch das zweite Staatsexamen bietet eine Garantie, dass damit ein perfekter Lehrer in die Schulklassen geschickt werden kann.

In vier Bereichen soll es künftig Standards geben. Unterrichten müssen sie können, denn Lehrer sind die Fachleute für das Lehren und Lernen. Sie sollen die Schüler erziehen und in ihren Leistungen beurteilen . Die Lehrer sollen offen für Neues sein und zu diesem Zweck ihre Kompetenzen ständig weiterentwickeln. Innovation ist gefragt, wenn es zum Beispiel um das Schulprofil und die Planung von Projekten geht.

Die Standards für die Lehrerausbildung sind im Wesentlichen von Ewald Terhart, Professor an der Uni Münster, entworfen worden. Terhart ist einer der besten Kenner der Lehrerausbildung in Deutschland und hat die Standards in einer Expertengruppe mit Praktikern aus den Schulen und der Bildungsverwaltung für die KMK die entwickelt. Die weitere Arbeit an den Standards für die Lehrerausbildung wird demselben Institut übertragen, das auch die Musteraufgaben für die Bildungsstandards entwirft: dem Institut für die Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität.

Wie sollen die Standards aussehen? Beispielhaft lässt sich das an der wichtigen Frage zeigen, wie Lehrer die Schülerleistungen beurteilen sollen. Für Terhart lautet die Ausgangsfrage: Welche Leistungen können in einer demokratischen Gesellschaftsordnung von den Schülern erwartet werden und welche Grenzen werden dem Bildungswesen gesetzt? Als Minimum wird von den künftigen Lehrern eine zuverlässige Darstellung dieses gesamtgesellschaftlichen Rahmens verlangt. Gutes Niveau erreicht derjenige Lehrer, der diese Fragen in vielen Einzelheiten umfassend zu beurteilen vermag.

Ähnlich werden die Standards bei der Frage gesetzt, ob die Leistungen der Schüler besser durch Zensuren oder verbale Leistungsbeschreibungen beurteilt werden sollen. Als Minimalanforderung muss der Lehrer eine allgemeine Kenntnis dieser Problematik nachweisen. Als Regelstandard soll er Zensuren oder Leistungsbeschreibungen didaktisch einordnen. Einen guten Standard erreicht der Lehrer, wenn er über Leistungsbeschreibungen vertieft nachdenkt, weil er die Theorien über Lernen und Leistungen beherrscht und etwa weiß, dass Grundschüler anfangs besser durch Beschreibungen als durch Noten in ihren Leistungen charakterisiert werden können.

Wichtig für die Zensuren ist auch die Frage, ob ein Lehrer zum Beispiel in den vom ihm gelehrten Fächern Deutsch und Englisch die Lernziele benennen kann. Hier werden die Standards wie folgt gesetzt: Als Minimum muss der Lehrer die Anforderungen kennen. In der Regel wird von ihm verlangt, dass er auch die Anforderungen des Lernplans zu begründen vermag. Ein gutes Niveau erreicht der Lehrer, wenn er sich in den Forschungen zu den Curricula auskennt und von daher einen problembezogenen Zugang zu diesen Fragen hat.

Für Berlin und Brandenburg ergibt sich nun die kuriose Situation, dass die berufsbezogenen Standards im ersten Teil der künftigen Lehrerausbildung eigentlich nicht angewandt werden können. Denn im Bachelorstudium werden drei Jahre lang fast ausschließlich die Fächer, zum Beispiel Deutsch und Englisch, studiert. Erziehungswissenschaften, Psychologie und Didaktik stehen erst im Mittelpunkt eines späteren Masterstudiums. Vielleicht bieten die Standards einen zusätzlichen Anreiz, über die Neukonzeption der Lehrerausbildung in Berlin noch einmal nachzudenken.

Uwe Schlicht

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