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Gesundheit: Wasser am Nordpol: Langsam schmilzt das ewige Eis

Wer im Sommer zum Nordpol marschiert, der kriegt mit ziemlicher Sicherheit nasse Füße. Denn der arktische Ozean ist nur mit einer dünnen Eishaut bedeckt.

Wer im Sommer zum Nordpol marschiert, der kriegt mit ziemlicher Sicherheit nasse Füße. Denn der arktische Ozean ist nur mit einer dünnen Eishaut bedeckt. Und die reißt hier und da immer wieder auf.

Die Touristen an Bord des russischen Eisbrechers "Yamal" brauchte dies über weite Teile ihrer Reise nicht zu kümmern. Sie hatten es in ihren Kojen recht bequem. Für das unvergessliche Foto am frostigen Pol dagegen waren sie gut gerüstet.

Und dann das! Nicht die erwarteten zehn Meter hohen Presseisrücken und Eiskiele an dem vermeintlich kältesten Punkt unserer Hemisphäre, nicht einmal eine Scholle, auf der man hätte posieren können. Stattdessen stand das Schiff in einer 1,6 Kilometer breiten Wasserstraße.

Auch der Kapitän der "Yamal", der die Reise schon zum zehnten Male machte, hatte das noch nicht erlebt. Wie die "New York Times" berichtete, musste er zehn Kilometer weiter fahren, damit die Reisenden endlich aussteigen konnten. Erst dort war das Eis wieder dick genug.

Die Enttäuschung dürfte allerdings nicht allzu lange angehalten haben. Denn an Bord des Schiffes waren auch zwei Wissenschaftler, die das Wasser als Sensation zu verkaufen wussten. "Ich weiß nicht, ob irgendjemand schon einmal dort oben von Wasser begrüßt wurde", sagte der Paläontologe Malcom McKenna. Und bald ging die Nachricht von Mund zu Mund, seit mehr als 50 Millionen Jahren habe es nicht mehr so viel Wasser am Nordpol gegeben.

Doch die Mär steht auf dünnem Eis. Deutsche Polarforscher und Klimatologen überrascht die Pfütze am Nordpol nicht sonderlich. "Solche Wasserflächen bilden sich ständig und schließen sich dann wieder", sagt Heinrich Miller, Geophysiker und Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.

Spannungen im Eis

"Das Eis wird in der Regel nicht dicker als drei Meter", sagt Miller. Und es ist ständigen Spannungen ausgesetzt. Die Meeresströmung unter dem Eis zerrt daran ebenso wie der polare Wind, der über die Arktis hinwegfegt. "Die dünne Eisschicht reißt deshalb immer wieder auf."

Möglicherweise ist das Eis um den Nordpol in den zurückliegenden Jahrzehnten allerdings dünner geworden und könnte daher in Zukunft noch häufiger vor den Augen abenteuerlustiger Touristen öffnen. Es gibt zwar nur wenig Befunde, die darauf hindeuten. "Aber punktuelle Messungen zeigen, dass die Eisschicht um 20 bis 30 Zentimeter zurückgegangen ist", sagt Mojib Latif vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.

Ein anderer Trend erscheint ihm jedoch signifikanter zu sein. Und der betrifft die Ausdehnung des arktischen Eismeeres. "Die Fläche, die im Sommer mit Eis bedeckt ist, ist in den letzten 20 Jahren um eine halbe Million Quadratkilometer zurückgegangen", sagt Latif. Das könne man auf Satellitenbildern deutlich erkennen.

Einen Grund für die Eisschmelze sieht Latif in dem Temperaturanstieg während der letzten Dekaden. "Über das Jahr hinweg, ist es in der Arktis inzwischen deutlich wärmer." Um zwei bis drei Grad sei das Thermometer in den letzten etwa 70 Jahren bereits geklettert.

Dieser Temperaturanstieg ist seiner Meinung nach auf den vom Menschen verursachten Treibhauseffekt zurückzuführen. Eine Ansicht, die auch Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung teilt. "Die Erwärmung seit 1970 lässt sich vermutlich nur durch den Treibhauseffekt erklären."

Die Arktis reagiert sehr empfindlich auf Klimaänderungen. Unter anderem deswegen, weil das Eis eine helle Fläche bildet, die das Sonnenlicht reflektiert. Wird weniger Sonnenlicht zurückgeworfen, weil weniger Eis vorhanden ist, bleibt mehr Wärme übrig. Und dann schmilzt das Eis noch schneller - ein sich langsam aufschaukelnder Prozess.

In der Arktis sollten die Auswirkungen des Treibhauseffekts daher deutlicher sichtbar werden als anderswo. Latif erwartet für die nächsten Jahrzehnte nochmals einen deutlichen Temperatursprung, "wenn wir so weiter machen wie bisher".

Anhand ihrer Klimamodelle sagten Wissenschaftler unter anderem voraus, dass die Ränder des Festlandeises auf Grönland künftig schneller schmelzen sollten. Andererseits würde das grönländische Eis in höheren Lagen im Inland auf Grund stärkerer Niederschläge dicker werden.

Beobachtungen mit Hilfe von Lasergeräten an Bord von Flugzeugen im Verlaufe der zurückliegenden sieben Jahren scheinen mit dieser Prognose recht gut übereinzustimmen. Demnach sind die Eisränder tatsächlich dünner geworden. In manchen Küstengebieten haben die Gletscher mehr als einen Meter verloren, wie kürzlich Forscher um W. Krabill vom Nasa Goddard Space Flight Center im Wissenschaftsmagazin "Science" (Band 289, Seite 428) berichteten.

Das schmelzende Grönlandeis lässt den Meeresspiegel langsam steigen, allerdings um nicht messbare 0,13 Millimeter pro Jahr. Würde sich dagegen alles Eis mit einem Male ins Meer ergießen, würde der Wasserpegel um sieben Meter in die Höhe schnellen. Denn auf Grönland liegen knapp zehn Prozent des Festlandeises der Erde.

Doch für eine solch dramatische Schmelze gibt es keine Anzeichen. In den mehr als 3000 Meter hohen Lagen im Innern des Landes hat die Eisdecke in den vergangenen Jahrzehnten nicht abgenommen. Infolge der starken Schneefälle kämen jährlich etwa 30 Zentimeter frisches Eis hinzu, sagt Heinrich Miller. "Dieses Eis fließt dann unter dem Einfluss der Schwerkraft zum Rand hin ab."

Bis eine Schneeflocke bis zur Küste gewandert ist, können jedoch mehr als 100 000 Jahre vergehen. Solche Abläufe machen es schwierig, langfristige und kurzfristige Klimaeinflüsse voneinander zu trennen. Grönland, das zeigen andere wissenschaftliche Rechnungen, steht noch heute unter dem Einfluss der Temperaturänderungen der letzten Eiszeit.

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