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Gesundheit: Wenn Fluten auch Gifte fortschwemmen - Tagung an der TU

Öl- und Chemikalienunfälle auf Binnengewässern, vor allem auf schneller fließenden Flüssen, bereiten große Probleme. Die Substanzen bedrohen nicht nur das Leben im Wasser, sondern können in Gegenden, wo Uferfiltrat fürs Trinkwasser gewonnen wird, noch viel schlimmere Schäden anrichten.

Öl- und Chemikalienunfälle auf Binnengewässern, vor allem auf schneller fließenden Flüssen, bereiten große Probleme. Die Substanzen bedrohen nicht nur das Leben im Wasser, sondern können in Gegenden, wo Uferfiltrat fürs Trinkwasser gewonnen wird, noch viel schlimmere Schäden anrichten. Hiergegen werden Ölsperren und Bindemittel eingesetzt, aber damit allein sind die Schadstoffe noch nicht entfernt. Das Problem dabei: Öl breitet sich großflächig aus, will man es absaugen, holt man auch viel Wasser aus dem kontaminierten Bereich. Das Gemisch wiederum muss zwischengelagert, das Öl abgeschieden werden - aber wie und wo, so mitten in der Landschaft?

Das Technische Hilfswerk (THW) hat offenbar eine Antwort auf diese Frage gefunden. Bis Jahresende sollen sich zwei neu entwickelte, mobile Versuchsanlagen bewähren, dann wird entschieden, ob diese Technik für die Standardausrüstung beschafft wird, erläuterte Michael Janowski. Die Test-Einrichtung ist in Lkw-üblichen 20-Fuß-Containern unterzubringen, sie kann 80 000 Liter Gemisch pro Stunde separieren und arbeitet dennoch ohne Zusatz von Chemikalien. Überdies stehen dem THW Schnellmontagebehälter mit einem Fassungsvermögen bis 130 000 Liter zur Verfügung.

Vorgestellt wurde dieses Verfahren, an dem seit einigen Jahren gearbeitet wird, auf einem zweitägigen Workshop zum Hochwasser- und Gewässerschutz, das bis heute in der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffsbau der Technischen Universität Berlin stattfindet. Experten aus Bundes- und Landesbehörden berichten aus ihren Erfahrungen der Vorfälle, die sich in den vergangenen fünf Jahren zugetragen haben.

Insofern gehört diese Technik zu den wichtigen Vorsorgemaßnahmen, die gerade auch in Hochwassersituationen leider allzu oft benötigt werden. Schadstoffe werden dann schnell einmal freigesetzt. Sie stammen zum Beispiel aus herkömmlichen Ölheizungstanks, aber auch aus dem Handel - schließlich lagert praktisch jeder Baumarkt Substanzen, die nicht ungezielt in die Umwelt gelangen sollten.

Im Zentrum der Diskussionen und Vorträge steht freilich die Frage, ob die Behörden und die Rettungsdienste auf solche und ähnliche Probleme, ja auf Hochwasserfluten überhaupt, ausreichend vorbereitet sind. Ob an Rhein, Donau, Elbe oder Oder: Gelegenheiten, Erfahrungen zu sammeln, gab es in den vergangenen Jahren immer häufiger. Denn die meteorologischen Verhältnisse ändern sich ganz offenbar. In Europa werden die kalten Winter rar, im Herbst und Frühjahr gibt es immer mehr Regen.

Auenlandschaften, die das Wasser aufnehmen können, sind vielfach selten geworden (sie werden gerade erst wieder für Hochwasseraufnahme hergerichtet), Flüsse wurden begradigt - das Wasser kann aber nicht so schnell abfließen, wie es sollte. Hochwasser bedroht die Ansiedlungen, sei es nun dadurch, dass das Wasser plötzlich kommt oder dass vernachlässigte Deiche aufgrund lang anhaltender Regenfälle aufweichen und wegbrechen. Die Frage, warum die Siedlungen überhaupt im gefährdeten Gebiet errichtet wurden, hilft im Nachhinein nicht weiter.

Hinzu kommt, dass die Maßstäbe, was denn tatsächlich ein gefährdetes Gebiet ist, sich immer häufiger verschieben. "Jahrhundertfluten" folgen inzwischen schneller aufeinander, weil eben mit so viel Wasser nicht gerechnet wurde. Jeder neue Wasser-Fall schiebt die Maximalwerte wieder ein wenig höher. Dies ist auch (und gerade) dann problematisch, wenn sich die dort lebenden Menschen auf die Gefahr einrichten wollen - dann stellt sich die Frage, wo das betroffene Gebiet tatsächlich anfängt, wo es aufhört. Es geht ja doch um teure Vorsichtsmaßnahmen.

Immerhin hat der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft ein Computerprogramm in Auftrag gegeben, das genau diese Frage so gut wie möglich beantworten soll, berichtete Michael Wunderlich von der Bundesanstalt für Gewässerkunde am Dienstag bei einem Pressegespräch in der Versuchsanstalt. Hierbei können anhand meteorologischer Modelle Gefahrensituationen simuliert werden, Deichbrüche und weitere Komplikationen lassen sich hinzufügen, um das mögliche Schadensausmaß zu zeigen.

Eine bedrohliche Hochwassermenge lässt sich aber nur dann abwehren, wenn Vorsorge betrieben wurde. Dazu bedarf es nicht nur der entsprechenden Menge eingelagerter Sandsäcke und Schotts, es muss auch ein vorbereiteter Katastrophenschutz binnen weniger Tage zur Stelle sein, sprich: die Leute von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Polizei und Bundeswehr müssen solche Situationen üben, Leitungsstäbe müssen sofort ihre Arbeit aufnehmen können. Und daran, das sei bei Übungen herausgekommen, soll es noch an vielen Stellen hapern, hieß es.

Brandenburg jedoch will für künftige Notfälle aus der Oderkatastrophe 1997 gelernt haben. Im Vordergrund stand dabei die Klärung von Kommunikationsproblemen. Da musste man sich erst einmal über Begrifflichkeiten absprechen, berichtete Norbert Zoschke von der Landesschule und Technischen Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz des Landes Brandenburg. Konflikte gab es anfangs auch bei der Informationsvermittlung. Die Leute am Ort des Geschehens waren so sehr mit der eigentlichen Arbeit beschäftigt, dass die Leitung im Ministerium nicht immer in der für die Einsatzplanung notwendigen Ausführlichkeit unterrichtet war.

Und die Stadt Köln hat das Thema Hochwasser im Rahmen einer Info-Ausstellung am Rhein sogar zu einem Expo-Projekt gemacht, in Flittard entstand zudem eine "Modellaue" samt Lehrpfad.

Gideon Heimann

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