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Gesundheit: Wie näht man elastische Spitze?

Bauschige Wolken aus teuren Stoffen oder knappe Minis aus billigem Plastik - auf den Laufstegen der Modewelt gibt es nichts, was es nicht gibt.Und früher oder später findet sich dort jeder Stoff, der sich in irgendeiner Form in Form bringen läßt.

Bauschige Wolken aus teuren Stoffen oder knappe Minis aus billigem Plastik - auf den Laufstegen der Modewelt gibt es nichts, was es nicht gibt.Und früher oder später findet sich dort jeder Stoff, der sich in irgendeiner Form in Form bringen läßt.Wenn die neuesten Trends dann in die Kaufhäuser einziehen, kann der Folienmini zum Problem werden.Wie macht man aus dem Einzelstück Massenware? Bevor der Mini auf der Kaufhausstange landet, ist solides Handwerk gefragt: Das Stück von der Stange soll schließlich nicht nur günstiger sein als das Exklusivmodell, sondern auch etwas mehr aushalten.

Mode in großer Stückzahl gut zu produzieren, das ist die Aufgabe von Doris Schnabel und Petra Kalperski.Oder besser: Das wird ihre Aufgabe sein.Beide studieren Bekleidungstechnik an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin - eine von acht Hochschulen, die das Fach in der Bundesrepublik anbietet.Nach ihrem Abschluß werden sie sich nicht Gestalterin oder Designerin nennen, sondern schlicht "Diplom-Ingenieurin".Dann werden sie sich darum kümmern, daß aus einem Entwurf ein produktionsgeeigneter Schnitt wird.Oder daß das Material stimmt und der Rock nicht nach dem ersten Waschen auseinanderfällt.Oder, oder, oder ...

Rund dreißig angehende Bekleidungstechniker und -technikerinnen beginnen pro Jahr das Studium an der FHTW, in einem roten Backsteingebäude der Hochschule am Warschauer Platz.Zusammen mit den Bekleidungsdesignern sitzen die Bekleidungstechniker dort direkt neben der neuen Oberbaum-City.Von den Studienanfängern halten allerdings nur zwanzig bis zum vierten Semester durch."Durch Fächer wie Physik und Mathe wird in den Anfangssemestern ganz schön ausgesiebt", erklärt Ingo Siewert, Professor im Studiengang Bekleidungstechnik.Daneben muß man sich auch durch Fächer wie Informatik oder Industrielles Rechnungswesen durchbeißen - da sind die Modeelemente des Faches dann nur noch schwach zu erkennen.Kein Wunder, daß die eine oder andere dann doch zu den Designern wechselt.

Wer durchhält, kann im Hauptstudium zwischen zwei Schwerpunkten wählen.Die reinen "Bekleidungstechniker" beschäftigen sich vor allem mit den Produktionsabläufen: Fertigungstechnik, Logistik und Produktionsplanung werden dann gebüffelt.Wer den Schwerpunkt "Schnittgestaltung" wählt, kümmert sich vorwiegend darum, wie vorher die Schnitte entstehen.Diese Studienrichtung wird bundesweit nur an der FHTW angeboten und ist nichts für Computermuffel: Ohne die entsprechenden Programme geht bei der industriellen Schnittgestaltung nichts mehr.

Vor drei Jahren haben Doris und Petra mit ihrem Studium begonnen.Und warum haben sie sich für die technische und nicht für die kreative Seite des Modemachens entschieden? Doris überlegt nicht lange: "Ich bin kein Gestalter - bewerben mit eigenen Entwürfen, eigener Mappe, das kam für mich gar nicht in Frage." Bei Petra stand der Forscherdrang im Vordergrund."Ich wollte wissen, wie es gemacht wird", sagt sie.Wie viele an der FHTW haben die beiden vorher eine Schneiderlehre gemacht.Mit Nadel und Faden sollte schon umgehen können, wer sich für das Studium entscheidet.Das zeigen auch die vielen Nähmaschinen im "Labor" der Bekleidungstechniker.Mit der Hand wird hier geprüft, welche Stoffe sich wie nähen lassen.Vor allem "innovative Materialien" werden unter die Nadel genommen, neue Stoffe, die industriell entwickelt werden.Wie näht man zum Beispiel "elastische Spitze" oder welcher Faden taugt für das Kunstleder? Aber auch die hohe Kunst des Bügelns wird wissenschaftlich angegangen.Wann soll gesprüht, wann gedampft und wann gedrückt werden? Das Bügeln erlebt zur Zeit eine kleine Renaissance an der FHTW.Ingo Siewert hat bis jetzt zwar erst eine Diplomarbeit vergeben, bei der es um die Messung von Bügeltemperaturen ging.Weitere Diplomarbeiten sollen aber bald folgen."Bisher wird in der Industrie einfach ausprobiert, was geht", berichtet er, "wissenschaftlich wird das Bügeln vernachlässigt".

Doris und Petra haben bis zur Diplomarbeit noch etwas Zeit - sie muß erst nach dem achten Semester vorliegen.Ihr Studium werden sie jetzt erst einmal im Heimatland der Textilindustrie, in England, fortsetzen.Das nächste Semester werden sie in Manchester verbringen und sich dann an die Diplomarbeit machen.Wenn die fertig ist, haben sie nur noch die mündliche Prüfung vor sich.

Und danach? Die Berufsaussichten der Textilingenieurinnen (70 Prozent der Studenten sind weiblich) sind "nicht schlecht", sagt Ingo Siewert.Petra und Doris sind da etwas skeptischer.Ins Ausland möchten sie nicht unbedingt gehen, innerhalb Deutschlands würden sie aber schon umziehen."Flexibel muß man schon sein", gibt ihnen Ingo Siewert recht.Weil die Textilproduktion immer mehr ins Ausland verlagert werde, seien die Absolventen besonders als "Reisetechniker" gefragt, die die Produzenten im Ausland beraten.Seinem Eindruck nach haben "Männer dabei schon manchmal die besseren Chancen - aber wir haben auch eine Frau in China".

Wer Bekleidungstechnik studieren möchte, sollte das Abitur oder die Fachhochschulreife besitzen und ein 18-wöchiges Praktikum in der Bekleidungsindustrie bzw.im Handwerk nachweisen können.Zugelassen wird auch, wer nach einer abgeschlossenen Ausbildung vier Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet hat.FHTW, Warschauer Platz 6, 10313 Berlin, Tel: 29371-237

KATHARINA VOSS

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