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Gesundheit: „Wie verkauft man den Tod?“

Um den Tricks der Tabakwerbung zu begegnen, fordern Krebsforscher, Zigarettenreklame ganz zu verbieten

Was für ein Produkt! „Bei bestimmungsgemäßem Konsum wird die Hälfte aller Konsumenten getötet“, sagte Annette Bornhäuser vom Deutschen Krebsforschungszentrum auf dessen Berliner Veranstaltung über „Tabakkonsum und Tabakkontrolle in Deutschland“. Die Krebsforscher weisen – ebenso wie die Kardiologen – seit langem darauf hin, dass in diesem Lande jedes Jahr mindestens 110 000 Menschen an den Folgen des Rauchens vorzeitig sterben. Tag für Tag 300, als stürze ein voll besetzter Jumbo-Jet ab. Die Schätzzahlen seien durch hieb- und stichfeste Studien gut belegt. „Zigarettenkonsum stellt das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache frühzeitiger Sterblichkeit in Deutschland und anderen Industrienationen dar.“

Ein Faktum, das auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit vielen Jahren hervorgehoben wird. In anderen Ländern habe man daraus erfolgreiche präventionspolitische Konsequenzen gezogen, Deutschland aber beteilige sich kaum an den empfohlenen Maßnahmen, kritisierte WHO-Abteilungsleiter Derek Yach. Im Gegenteil, es habe sogar das europäische Tabakwerbeverbot hintertrieben. In Deutschland manipuliere die Tabakindustrie die Politiker und sogar viele Wissenschaftler, sagte Yach.

Diese Situation alarmierte das Deutsche Krebsforschungszentrum. Es legte jetzt in Berlin ausführliche „Handlungsempfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik in Deutschland“ vor, die auch von der WHO unterstützt werden. Man habe sich dabei auf solche Maßnahmen beschränkt, deren Effektivität wissenschaftlich nachgewiesen sei, betonte Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Krebsforschungszentrum. Beispiele für erfolgreiche Programme könne man in Kanada, den USA, Australien und Skandinavien studieren. In Kalifornien zum Beispiel ging seit Beginn der Kampagne der Tabakkonsum auf weniger als die Hälfte des Verbrauchs in anderen US-Staaten zurück.

Die Grundtendenz der Empfehlung, die Annette Bornhäuser mit 30 anderen Wissenschaftlern erarbeitete: Es genügt nicht, sich allein auf das Verhalten der Raucher und auf die Jugendprogramme zur Förderung des Nichtrauchens zu konzentrieren. Man muss auch die Verhältnisse ändern, die das Verhalten bestimmen. Das heißt: Die Tabaksteuer muss nach Ansicht der Forscher deutlich erhöht, der Zigarettenschmuggel bekämpft werden. Zigarettenautomaten seien abzuschaffen, eine rauchfreie Umgebung müsse selbstverständlich werden – alles Maßnahmen, die den Zugang zur Zigarette erschweren. Vor allem brauche man ein umfassendes Werbeverbot, denn es sei nachgewiesen, dass sie, die Werbung, den Tabakkonsum erhöhe und nicht etwa nur, wie die Industrie behaupte, die Markenwahl beeinflusse.

Die Wissenschaftlerin zitierte einen frühren Vertriebsleiter für fünf Tabakkkonzerne: „Das Problem ist: Wie verkauft man Tod? Man macht es mit weiten, offenen Freiflächen in der Natur . . . mit jungen gesunden Menschen . . . mit Sportlern . . . Es strahlt vor Jugend und Lebendigkeit – das ist, wie die so etwas verkaufen.“ In den Handlungsempfehlungen wird daher auch viel Wert auf eine ausführliche Verbraucherinformation gelegt. Über das Suchtmittel Nikotin und die mindestens 50 verschiedenen Krebs erzeugenden Stoffe im Tabakrauch zum Beispiel. Über die bewusste Verstärkung des Suchtpotenzials durch den Zusatz von Ammoniak. Oder über die von der Industrie immer wieder abgestrittene Schädlichkeit auch des Passivrauchens.

Die Empfehlungen der Forscher schließen an das Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen an. Das Gutachten gibt der Prävention oberste Priorität. Ratsmitglied Rolf Rosenbrock verglich die empfohlene, breit angelegte Präventionspolitik mit der erfolgreichen Aids-Kampagne. Wissenschaftlich sei völlig klar, was zu tun wäre. Aber die dringend notwendige Tabakkontrollpolitik habe einen „sehr potenten, reichen und gewissenlosen Gegner: die Tabakindustrie“. Rosemarie Stein

Beratung am Telefon, Deutsches Krebsforschungszentrum: 06221 / 424200 und Nichtraucherbund Berlin: 030 / 77059496

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