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Gesundheit: „Wir brauchen gesündere Lebensmittel“

Der Chef der Berliner Biotechnik-Firma „Metanomics“ über Chancen und Risiken der Gentechnik

Vor kurzem hat der Bundestag das GentechnikGesetz verabschiedet. Es schreibt unter anderem vor, dass Landwirte, die Gentechnik-Getreide anbauen, für die „Verschmutzung“ von Bio-Äckern haften müssen, zudem sollen die Anbauflächen veröffentlicht werden. Was bedeutet das Gesetz für die Forschung in Deutschland?

Die Forschung mit Hilfe der Gentechnik wird durch die einseitige Haftungsregelung extrem erschwert, um nicht zu sagen verhindert. Neue Pflanzen müssen ja im Freilandversuch getestet und später auch angebaut werden.

Welche Folgen hat das Gesetz für die Biotechnik-Industrie?

Schon bei Freisetzungsversuchen, die vor der Produktgenehmigung stattfinden müssen, kommt es zu einer massiven Behinderung. Wir als Unternehmen müssen natürlich überlegen, ob wir in einer Region wie Deutschland weiter forschen können. Auch der Anbau zugelassener gentechnisch optimierter Pflanzen wird erschwert. Die Industrieforschung finanziert sich nun einmal aus der Vermarktung ihrer Produkte. Wenn das nicht mehr geht, dann wird’s schwierig. Zudem behindert man mit der grünen Gentechnik auch die Synergien mit anderen Anwendungen dieser Technik, etwa in der Medizin. Also die „rote“ Gentechnik.

Warum?

Wir haben für die Pflanzenbiotechnik Verfahren entwickelt, mit denen wir den Stoffwechsel der Pflanze en detail studieren können. Diese Methode wenden wir nun auch auf die Entwicklung neuer Medikamente an.

Wird Ihre Firma Deutschland verlassen?

Für solche Überlegungen ist es noch zu früh. Aber das Gentechnik-Gesetz ist ein erhebliches Hindernis für Innovationen und den Anbau von Pflanzen.

Wie sieht das in anderen Ländern Europas aus?

Eine derartig weitreichende und einseitige Haftungsregelung gibt es im Moment nur in Deutschland. Dabei hat die EU-Kommission klar gesagt, dass sie alle drei Anbauformen – konventionell, gentechnisch verändert, biologisch – gleichberechtigt nebeneinander wünscht.

Die Öffentlichkeit ist nach wie vor mehrheitlich gegen die grüne Gentechnik. Was haben Sie falsch gemacht?

Die Ängste der Bevölkerung wurden durch falsche und unsachliche Behauptungen geweckt. Wir können und wollen nur sachlich dagegen argumentieren. Selbst die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast kommt nach mehr als zehn Jahren Forschung und Anwendung der grünen Gentechnik zu dem Ergebnis, dass gentechnisch veränderte Pflanzen kein anderes Risiko aufweisen als ökologisch oder konventionell angebaute. Pflanzen aus gentechnischem Anbau sind mindestens ebenso sicher für Mensch, Tier und Umwelt.

Der Saatgut-Konzern Monsanto hat gerade bekannt gegeben, dass er gentechnisch veränderten Weizen nicht vermarkten will, wegen der Skepsis in Europa und Asien. Kann es sein, dass die Industrie wieder umschwenkt auf konventionelle Zucht, wenn der Widerstand zu groß wird?

Es mag marktstrategische Gründe für solche Überlegungen geben. Inhaltlich aber ist die Industrie absolut von dieser Technik überzeugt. Viele Anforderungen an Ertragssteigerung, Verbesserung der Nahrungsmittelqualität und Umweltverträglichkeit lassen sich nur noch mit Hilfe der Gentechnik erreichen.

Viele Verbraucher sehen das anders.

Bei den zur Zeit auf dem Markt befindlichen Produkten der ersten Generation ist das auch nachvollziehbar. Denn da geht es in erster Linie um Dinge wie höhere Erträge, weniger Pflanzenschutzmittel oder geringeren Aufwand beim Anbau. Da gibt es durchaus Umweltvorteile! In China hat zum Beispiel die Einführung von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle dazu geführt, dass allein im letzten Jahr 70000 Tonnen weniger Insektizide ausgebracht wurden. Aber so etwas nimmt der Verbraucher nicht wahr, wenn er ein Produkt aus dem Regal kauft. Aber bei den Produkten der zweiten und dritten Generation, die über die nächsten acht, neun Jahre kommen werden, ist das anders. Da geht es zum Beispiel um mehr Vitamine und gesunde Fettsäuren in der Nahrung oder um Inhaltsstoffe, die das Risiko für Prostatakrebs verringern. Ich glaube, dass die Verbraucher diese Produkte akzeptieren werden, weil sie einen direkten Nutzen sehen.

Kritiker wenden ein, dass gentechnisch veränderte Organismen nicht am Menschen getestet wurden.

Diese Sicherheitstests laufen, wie bei anderen Anbauformen auch, an Tieren. Man kann sie, mit einem gewissen Sicherheitsabstand, auf den Menschen übertragen. Produkte aus gentechnisch veränderten Organismen sind seit zehn Jahren auf dem Markt und von Milliarden Menschen und Tieren konsumiert worden. Kein einziger Fall eines nachteiligen Effekts für Tier und Mensch ist aufgetreten – und das ist auch nicht zu erwarten.

Wie sieht es mit dem Allergie-Risiko aus?

Die Biotechnik ermöglicht es gerade, Allergie erzeugende Stoffe aus der Nahrung zu entfernen, indem man die entsprechenden Gene abschaltet. Ein Beispiel dafür sind glutenfreier Reis oder Weizen. Zudem durchlaufen alle neuen Pflanzen aus der Biotechnik ein mehrjähriges unabhängiges Prüfverfahren. Dadurch werden Allergien ausgeschlossen.

Können sich die veränderten Erbanlagen in der Umwelt unkontrolliert ausbreiten?

Auskreuzungen passieren überall in der Natur, auch in der ökologischen Landwirtschaft. Hier muss man jede Kulturpflanze für sich betrachten. Nehmen Sie die Kartoffel: Hier ist der Genfluss gleich null, weil die Pflanze steril ist und ihre Erbanlagen nicht weitergeben kann. Bei Mais und Raps sieht es anders aus. Aber Saatgutunternehmen und der konventionelle Anbau schaffen es seit vielen Jahren, durch Rotationsverfahren und Abstandszonen die Vermischung von Saatgut zu verhindern. Die gute landwirtschaftliche Praxis verhindert auch dort die Auskreuzung weitgehend.

Welche Rolle spielt die grüne Gentechnik in der Dritten Welt?

In Europa geht es langfristig nicht darum, die Erträge zu steigern, sondern um gesündere Lebensmittel, mit denen man etwa der Veränderung der Altersstruktur Rechnung trägt. Anders in den Schwellen- und Entwicklungsländern: Dort geht es zusätzlich auch um höhere Ernten.

Zum Beispiel?

Wenn es etwa darum geht, den Ertrag einer Pflanze zu steigern, können Sie mit konventioneller Züchtung durchschnittlich ein Prozent pro Jahr schaffen. Wir haben bei Metanomics Gene gefunden, die innerhalb einer Generation Ertragssteigerungen um 30 Prozent bringen können. Ohne Gentechnik geht das nicht.

Kann die Gentechnik das Hungerproblem in den Entwicklungsländern lösen?

Wenn man sich vor Augen hält, dass in diesen Ländern 40 bis 70 Prozent der Ernteerträge verloren gehen, dann kann sie ganz sicher einen Beitrag leisten.

Das Gespräch führte Hartmut Wewetzer.

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