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Gesundheit: Wo die Elite gedeiht

Exzellenzwettbewerb: Neue Länder und Geisteswissenschaftler fordern neue Kriterien

„International sichtbare Leuchttürme“ sollen durch die Exzellenzinitiative entstehen. Das Bild will so gar nicht auf Süddeutschland passen. Leuchttürme stehen an der Küste. Aber in der ersten Runde des Elitewettbewerbs, den Bund und Länder für die Unis ausgelobt haben, steht vor der Entscheidung am 13. Oktober fest: Das Gros der zehn Elitekandidaten und auch der Anwärter auf Forschungscluster und Graduiertenschulen ballt sich zwischen den Mittelgebirgen und den Alpen. Hat der Wettbewerb Schlagseite?

In Baden-Württemberg gehen vier Universitäten mit Zukunftskonzepten an den Start, in Bayern drei, in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin jeweils nur eine. Zwei der bayerischen Hochschulen, die LMU und die TU München, waren zudem in der Vorrunde mit zwei bis vier Forschungsclustern und drei oder vier Graduiertenschulen erfolgreich; genauso gut steht die RWTH Aachen da.

Damit verfügen sie über ein dickeres Polster als die Mitbewerber, die mit nur je einem Cluster-Antrag und höchstens zwei Graduiertenschulen weiterkamen – darunter Freiburg, Tübingen, Berlin und Bremen (siehe Grafik). Die Bewilligung einer Graduiertenschule und eines Clusters ist Voraussetzung für den Erfolg auch beim Zukunftskonzept.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) vermutet, dass Baden-Württemberg und Bayern jetzt die Früchte einer „kontinuierlichen und konsequenten Wissenschafts- und Forschungspolitik“ ernten. Sie glaubt, dass „in den ersten Runden des Elitewettbewerbs“ jene Anträge erfolgreich sein werden, „die auf eine zum Teil 50-jährige kontinuierliche Entwicklung aufbauen können“. Die „vielen Ausgleichssysteme“, mit denen die Unis über Jahrzehnte nach dem föderalen Gießkannenprinzip ausgebaut wurden, hätten „nicht wirklich zu Bewegung geführt“, sagte Schavan im Juli anlässlich der Verleihung einer Seniorforschungsprofessur in München.

Mit dieser Analyse will man sich in Ostdeutschland, wo keine einzige Hochschule unter die ersten zehn kam, aber nicht abfinden. Seit Monaten beschweren sich Politiker in den neuen Ländern, die dortigen Unis würden im Wettbewerb gegenüber dem Westen benachteiligt. Rückendeckung erhielten sie zuletzt etwa von Richard von Weizsäcker: Beim Auswahlverfahren müsse an das Zusammenwachsen zwischen Ost und West gedacht werden: „Dass bisher aus ganz Ostdeutschland kein einziger Kandidat für würdig befunden wird, deutet auf eine sehr sachtrockene Bewertung hin“, sagte Weizsäcker dem Tagesspiegel.

Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) kritisiert die Kriterien für die Auswahl – etwa bei Kooperationen von Hochschulen mit außeruniversitären Einrichtungen. Ostdeutsche Cluster-Anträge seien oft gescheitert, weil die Gutachter eine zu geringe Beteiligung von Hochschulprofessoren gegenüber Wissenschaftlern anderer Einrichtungen skeptisch gesehen hätten.

Nach dem schlechten Abschneiden in der Vorrunde „hat es in der Universität und im Land eine Ernüchterung gegeben“, sagt Reinhard Neubert, Prorektor für Forschung an der Uni Halle/Wittenberg. Die Uni war mit ihren Anträgen in allen drei Förderlinien gescheitert. In der zweiten Runde tritt sie mit keinem eigenen Projekt an. „Wir müssen uns erst einmal personell verstärken“, sagte Neubert. Wissenschaftsministerin Wanka geht unterdessen davon aus, dass der Wissenschaftsrat durch die Wissenschaftsminister der neuen Länder „sensibilisiert“ sei.

Im Wissenschaftsrat wird allerdings betont, es werde keinen Ostbonus geben. Die Gutachter seien an wissenschaftliche Kriterien gebunden. Schon im Januar hatte der damalige Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Karl Max Einhäupl, bedauert, in der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft fehlten auch 17 Jahre nach der Wende noch „gewachsene Strukturen“. Viele Wissenschaftler sähen ostdeutsche Unis als Sprungbrett in den Westen und nutzten den ersten Ruf, um zu wechseln. „Damit wir nicht im Osten eine Steppe bekommen“, müssten neue Instrumente geschaffen werden, mit denen die ostdeutschen Unis „Paroli bieten“ können, sagte Einhäupl. Er schlug einen „Wettbewerb für die Lehre“ vor, in dem die Ostunis dann größere Chancen hätten.

„Ärgerlich“ findet Martin Schlegel, Prorektor für Forschung an der Uni Leipzig, solche Äußerungen. Die ostdeutschen Universitäten strebten weiterhin auch Exzellenz in der Forschung an, sie wollten sich keinesfalls auf gute Leistungen in der Lehre reduzieren lassen. Zwar hätten die Hochschulen in den neuen Ländern den „Aufholprozess gegenüber westdeutschen Universitäten noch nicht abgeschlossen“. Nicht nachvollziehbar sei trotzdem, dass strukturelle Probleme – weniger Sonderforschungsbereiche und Drittmittel oder schlechtere Plätze in Forschungsrankings – den ostdeutschen Unis in der dritten Förderlinie geschadet hätten. „Wir hoffen da auf Gleichbehandlung in der zweiten Runde“, sagt Schlegel. Selbstverständlich bewerbe sich Leipzig erneut um den Elitestatus – ebenso wie Dresden und Jena.

Benachteiligt sehen sich auch die Geisteswissenschaften. In der Vorrunde kam nur ein geisteswissenschaftlicher Cluster-Antrag weiter: Ein Team der Uni Konstanz will „Kulturelle Grundlagen von Integration“ erforschen. Bei den Graduiertenschulen sieht es etwas besser aus: Fünf von 39 positiv bewerteten Doktorandenprogrammen richten sich vorrangig an Geisteswissenschaftler, darunter das „International Graduate Center for the Study of Culture“ an der Uni Gießen und die „Göttinger Graduiertenschule für Geisteswissenschaften und Theologie“.

Man müsse sich fragen, ob „dieses Förderformat für die Geisteswissenschaften geeignet“ sei, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, nach der Vorentscheidung. Die Exzellenzinitiative sei in der Tat nicht der richtige Ort, an dem die Stärken der Geisteswissenschaften sichtbar werden, erklärte damals der Historiker Ulrich Herbert, der im Entscheidungsgremium für die dritte Säule der Exzellenzinitiative sitzt. Geisteswissenschaftler arbeiteten traditionell als Einzelkämpfer oder in kleinen Teams und nicht in breit angelegten Netzwerken. Wer im stillen Kämmerlein Texte oder Bilder analysiert, braucht auch keine teure Ausstattung, so Herbert.

In der Exzellenzinitiative müssen die Antragsteller darlegen, wie ihr Forschungscluster eine Fördersumme von bis zu sieben Millionen Euro ausgeben will. Wenn Geisteswissenschaftler große Projekte auflegen, neigen sie zu eher allgemeinen, nicht aktuellen Fragestellungen, anstatt sich mit klar definierten Fragen auf neue Forschungsfelder vorzuwagen. In der Vorrunde ausgeschieden ist beispielsweise der Cluster-Antrag der Humboldt-Universität „Kreative Zerstörung“, in dem Juristen, Theologen, Kunsthistoriker und Politologen radikale Veränderungen in den Werten, den Symbolen, den sozialen Systemen und in der Art des Regierens untersuchen wollten.

Keine Chance also für Geisteswissenschaftler? Strohschneider hat eine eigene Wettbewerbslinie mit geringeren Fördersummen ausgeschlossen. „Man kann nicht im laufenden Spiel die Regeln ändern“, sagte der Germanist. Aus dem Wissenschaftsrat ist zu hören, dass es „eine Art Behindertenparkplatz für die Geisteswissenschaften“ nicht geben wird. Ministerin Schavan dagegen scheint nicht auszuschließen, dass einige Regeln doch noch geändert werden. „Die ersten Jahre bis 2011 sind gleichsam die Laborphase, in der wir alle miteinander Erfahrungen sammeln“, hat Schavan im Juli gesagt. Man werde lernen, „was für künftige Weichenstellungen wichtig ist“.

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