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Gesundheit: Wo die Talente schlummern

Von George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

An den deutschen Hochschulen sind derzeit 2,1 Millionen Studierende eingeschrieben. Diese Zahl, geht es nach Bundesbildungsministerin Bulmahn, soll weiter steigen. Die Studienberechtigungsquote, also der Anteil eines Jahrgangs, der die Hochschulreife erwirbt, liegt bei 38 Prozent. Vor 50 Jahren machten drei Prozent Abitur, und es gab 300 000 Studenten. Zwei Gründe waren entscheidend für den Ausbau des höheren Schulwesens und der Hochschulen: der Wettbewerb mit anderen Industrienationen und das Recht des Einzelnen auf eine den eigenen Fähigkeiten entsprechende Ausbildung.

Ist es aber zutreffend, wenn jetzt erneut darauf hingewiesen wird, Deutschland habe im internationalen Vergleich einen „sehr geringen Anteil“ von Hochschulzugangsberechtigten und die ungenügende Förderung in den Schulen lasse „viele Begabungen ungenutzt“? Dies sind Aussagen einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und des Hochschulinformationssystems, auf die sich die Ministerin beruft. Wie passt das zu Klagen von Lehrern, dass zu viele ungeeignete Schüler die Gymnasien bevölkerten und denen der Professoren über mangelnde Studierfähigkeit der Abiturienten?

Der Hinweis, es müsse in den Schulen eben eine bessere Förderung stattfinden, mag in Einzelfällen zutreffen. Aber glaubt ernsthaft jemand, dass noch Begabungsreserven schlummern, deren Erweckung einen erheblichen Anstieg der Studienberechtigungsquote bewirken könnte? Gewiss sollten alle entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden. Aber ist es nicht irreführend, wenn die Ministerin einen Paradigmenwechsel fordert „weg von der Auslese und hin zur Förderung“? Von Auslese konnte man bei drei Prozent sprechen, nicht aber, wenn man sich der 40-Prozent-Marke nähert.

Etliche Studiengänge platzen aus allen Nähten, die Hochschulen stöhnen unter dem Druck von großen Studierendenzahlen und knapper Mittel; und da sollen noch mehr junge Menschen in die Hochschulen geleitet werden? Teilweise ist auch der Arbeitsmarkt kaum noch aufnahmefähig. Und da will man noch mehr Absolventen produzieren?

Versteckt findet sich in der Äußerung der Ministerin des Pudels Kern: Bei den Empfehlungen für die Schullaufbahn werde die tatsächliche Leistung der Kinder nur ungenügend berücksichtigt. Das Ganztagsschul-Programm des Bundes werde hier eine Wende einleiten. Es gibt bessere Gründe für die Einführung von Ganztagsbetreuung. Eine vermeintlich zu geringe Studienberechtigungsquote sollte nicht dafür herhalten müssen.

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