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Gesundheit: Wohlverstandene Beratung

Warum wir die Nationale Akademie der Wissenschaften brauchen Von Günter Stock

Man stelle sich vor, die Repräsentanten der großen G 8-Nationen treffen sich zu Fragen der Wissenschaft – schon stellt sich mit Dringlichkeit die Frage: Wer vertritt Deutschland in diesem Gremium, in welcher Position, zu welchen Fragen? Wer vertritt die Interessen der gesamten deutschen Wissenschaft innerhalb Europas? Wer fungiert als Motor, um die Wissenschaftsregion Europa entschieden und vor allem konsistent mitzugestalten?

Bislang treten unterschiedliche Vertreter der Wissenschaftseinrichtungen in den vielfältigen internationalen Gremien primär als Vertreter der Interessen der eigenen Organisation auf. Dies war bislang keineswegs erfolglos, aber die Frage, ob dieses nicht zu verbessern wäre, ist eine relevante Frage, wenn es um gemeinsame Interessen der deutschen Wissenschaft geht. Die Allianz der großen Forschungsorganisationen hat dieses nur begrenzt leisten können.

Ein zweiter Bereich ist die Beantwortung wichtiger Fragen, die durch die Wissenschaft aufgeworfen werden. Denken wir insbesondere an zentrale Fragen der Energieversorgung oder der modernen Molekularen Biowissenschaft – Themen, die entscheidend unser Leben beeinflussen. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Welt, in der wir leben, vorrangig durch Wissenschaft und Technik geprägt ist. Das sind große Bereiche, die in ihrem Tun keineswegs selbsterklärend sind, schon gar nicht dort, wo unsere Wertvorstellungen herausgefordert werden.

Die Wissenschaft ist sicherlich nicht im Stande, allein hinreichende Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit, wie zum Beispiel die Veränderbarkeit unserer genetischen Grundlagen, zu geben. Hier hat die Wissenschaft in ihrer gesamten Breite die Verantwortung, das vollständige und diskutierbare Wissen zu solchen Themen zielführend zu sammeln und der öffentlichen Debatte zur Verfügung zu stellen. Das soll nicht, wie es von Kritikern formuliert wurde, im Sinne eines „Zentralkomitees für richtig oder falsch“ oder eines Wahrheitsministeriums geschehen, sondern in einem organisierten Prozess. Dies wäre ein wirklicher Beitrag nicht zu einseitiger Politikerberatung, sondern zu einer demokratischen Politikberatung, welche die Öffentlichkeit in schwierigen Fragen politikfähig macht.

In den USA, in Frankreich, in Großbritannien erfüllen die Nationalen Akademien der Wissenschaften in vielen Fragen seit langem genau diese Aufgabe und vertreten ihre Positionen dann auch in internationalen Gremien.

Die Aufgabe einer Nationalen Akademie wäre also auch, diese Integrationsleistung zu vollbringen. Dies wird auch in Zukunft neben einer Nationalakademie (auch) von den heute vorhandenen sogenannten regionalen Akademien geleistet werden, aber in Zukunft sicher – wenn es denn die Nationale Akademie gäbe – in abgestimmter und arbeitsteiliger Form.

Der gestärkte Föderalismus macht außerdem zusammenführende Organisationen in Deutschland erforderlich: Je dezentraler Wissenschaft organisiert wird, umso mehr bedarf es integrierender Organisationen. Dieses gilt für den Wissenschaftsrat genauso wie für eine zu schaffende Nationale Akademie in Fragen der wohlverstandenen Politikberatung. Dieses trifft umso mehr zu, als wir uns starke Wissenschaftsorganisationen wie die Max-Planck-Gesellschaft, die DFG und die anderen Organisationen wünschen.

Ob wir als Wissenschaftler und als Vertreter von Wissenschaftsorganisationen bereit sind, diesen Weg zu gehen, ist die entscheidende Frage. Sie hält uns seit mindestens 15 Jahren in Atem, seit zum ersten Mal von staatlicher Seite der Wunsch nach einer Nationalen Akademie formuliert wurde. Das jetzt vorgelegte Modell der Deutschen Akademie der Wissenschaften bildet die Pluralität und den föderalen Charakter unserer Wissenschaftslandschaft ab. Es bietet eine hervorragende Chance, Kritikern und Befürwortern entgegenzukommen, aber noch mehr, aktiv mitzuarbeiten. Akademien werden zwar durch Willensakte gegründet, aber wachsen und werden anerkannt durch kontinuierliche und als wichtig wahrgenommene Leistungen.

Der Autor ist Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

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