zum Hauptinhalt

Gesundheit: World Trade Center: Zuerst rissen die dünnen Seile der Fahrstühle

Nach dem Terrorangriff auf das World Trade Center gab es Diskussionen um die Konstruktion des einst größten Hochhauses der Welt. War der Zusammenbruch zwangsläufig oder wäre er durch eine andere Konstruktion zu verhindern gewesen?

Nach dem Terrorangriff auf das World Trade Center gab es Diskussionen um die Konstruktion des einst größten Hochhauses der Welt. War der Zusammenbruch zwangsläufig oder wäre er durch eine andere Konstruktion zu verhindern gewesen? Die Experten sind sich einig, dass wohl kein Gebäude der Wucht des Flugzeugaufpralls und dem höllischen Feuer Stand gehalten hätte. Das Szenario des Zusammenbruchs lässt sich nur völlig verstehen, wenn man die Konstruktion detailliert betrachtet. Der Bauingenieur Helmut Eggert aus Berlin hat einschlägige Artikel in der Fachzeitschrift "Der Stahlbau" studiert, die vor mehr als dreißig Jahren erschienen sind. Eggert war lange Zeit Referatsleiter für Stahlbau im Deutschen Institut für Bautechnik. Dabei begutachtete er beispielsweise die Dachkonstruktion des Sony-Centers am Potsdamer Platz.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Anders als vielfach dargestellt, hatte das World Trade Center gar keinen Kern aus Stahlbeton. Es handelte sich vielmehr um eine reine Stahlkonstruktion, die bis zu dem Granitfelsen in 25 Meter Tiefe reichte. Der Beton im Fundament hatte nur eine lastverteilende Funktion. Auch der Leichtbeton, der in die einzelnen Geschoßdecken eingebaut war, hatte für die Tragwirkung der Gesamtkonstruktion keine Bedeutung.

Jede der vier Gebäudeseiten wurde aus 63 stählernen, quadratischen Hohlprofilen gebildet mit einer Seitenlänge von jeweils rund 36 Zentimetern. Sie standen im Abstand von rund einem Meter nebeneinander und waren in Deckenhöhe mit stählernen Riegeln zusammengeschweißt. Daraus ergaben sich zwei steife Hohlkästen von 411 Metern Höhe und 63 Metern Breite. Zwischen den mit Feuerschutzmaterial ummantelten und mit Aluminiumblech verkleideten Trägern war ein lichter Zwischenraum von 55 Zentimetern für die Fensterscheiben.

Zwei steife Hohlkästen

Im Kernbereich befanden sich die Treppenhäuser, die Schächte für die Lifts und andere Versorgungseinrichtungen. Statisch gesehen stellt der Kern eine Anordnung von Stahlstützen auf einer Fläche von 41 mal 26 Metern dar. Dank dieser Konstruktion entstanden auf jeder Etage zwei große stützenfreie Flächen von etwa 18 mal 63 Metern. Sämtliche Stützen mussten denselben Druck aushalten. Nur dann blieben die Fußböden horizontal. Die Festigkeit der Randstützen war höher als die der inneren Stützen. Die äußeren Stützen mussten nämlich zusätzlich dem Wind standhalten.

Über Vorgänge beim Einsturz sind sich die Experten noch nicht völlig sicher. Schließlich ist das Geschehen bisher einmalig. Fest steht allerdings, dass die Wucht des Aufpralls allein nicht zum Einsturz geführt hätte. Der resultierende Schaden hätte mit Sicherheit jedoch zahlreiche Menschenleben gefordert.

Das Flugzeug, ein Hohlkörper aus relativ dünnem Aluminium, wurde beim Aufprall durch den Gitterrost aus dicken Stahlstützen zerteilt wie ein weich gekochtes Ei durch einen Eierschneider. Bei diesem Vergleich ist das Flugzeug das Ei, die Stahlstützen stellen die Schneidedrähte dar. Das Kerosin wäre der Dotter, der sich verteilt, explosionsartig entzündet und brennend teilweise nach unten fällt.

Auf Grund der sehr hohen Temperatur zerreißen die aus dünnem Draht bestehenden Seile der Fahrstühle sofort, diese stürzen ab. Die Fahrstuhlschächte wirken wie riesige Schornsteine. Je heißer der Stahl wird, um so geringer ist seine Festigkeit. Zuerst knicken die Innenstützen der Etage ein, in die das Flugzeug gerast ist. Die gewaltige Last der darüber liegenden Stockwerke fällt nach unten.

Dieser Aufprall bedeutet eine Lasterhöhung, für die die Stützen schon im "kalten" Zustand nicht ausgelegt sind. Sie knicken ebenfalls ein, zuerst die Innenstützen mit der geringsten Festigkeit, dann die äußeren. Auch diese Etage stürzt nun nach unten. Der Vorgang, den man am besten als Implosion bezeichnet, setzt sich fort, bis das Erdgeschoss erreicht ist. Die zahlreichen Gipskartonplatten des Innenausbaus zerstoben zu weißem Staub, der die Umgebung völlig bedeckte.

Der Eindruck, das Flugzeug habe ein riesiges Loch in die Außenwand des Hochhauses gerissen, dürfte eine optische Täuschung sein. An der Aufprallstelle waren der Alumantel der Stützen und das dazwischenliegende Glas zerstört. Von weitem wirkt das wie ein großes Loch, das die Kontur eines Flugzeuges besitzt.

Helmut Eggert

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false