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Gesundheit: Zentren für Alterstherapie

Mediziner plädieren für eine neue Geriatrie

Geistiger Abbau, Verlust des Gedächtnisses – das sind die ersten Assoziationen beim Stichwort „Alzheimer“. „Eine Demenz betrifft aber nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Körper“, sagt der Wiener Altersmediziner Franz Böhmer. Der Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie denkt dabei nicht allein an Spätfolgen einer Demenz wie Schluckstörungen und die Unfähigkeit, Darm und Blase zu kontrollieren. Oder daran, dass die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen heute an einer Lungenentzündung stirbt – einer „gnädigen“ Todesursache, die vor allem bettlägerige alte Menschen trifft. Denn Demenz ist nicht gleich Demenz.

Auf dem ersten Jahreskongress der österreichischen Fachgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie vergangene Woche in Berlin ging es auch um die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz, die oft mit Herz-Kreislauf-Leiden einhergeht. Insgesamt sind Schlaganfälle und Diabetes, aber auch neurologische Leiden wie Parkinson, bei Patienten mit einer Demenz deutlich häufiger als bei nicht dementen Altersgenossen.

Das sollte nach Ansicht der Geriater auch Einfluss auf die Behandlung haben. „Der Psychiater allein kann nicht alle Untersuchungen machen, die für eine genaue Diagnostik und die Abgrenzung gegen andere Krankheiten nötig sind“, sagte Cornel Sieber vom Klinikum Nürnberg, Präsident der deutschen Fachgesellschaft. Er plädiert für spezielle Zentren für Altersmedizin, in denen geriatrisch geschulte Internisten, Neurologen und Psychiater ein Netzwerk bilden, um Patienten und Angehörige aufzufangen.

Die Alzheimer-Impfung, die sich alle sehnlichst zur Vorbeugung oder wenigstens zum frühen Eingreifen wünschen, ist noch nicht zu haben. Medikamente können heute das Fortschreiten der Krankheit allenfalls für einige Zeit aufhalten. Doch die Altersmediziner monieren, dass den Hochbetagten die richtige Medikation oft vorenthalten werde, weil man sie vorschnell als „sinnlose Lebensverlängerung“ anprangere. Dabei schützen zum Beispiel Mittel gegen Bluthochdruck wirkungsvoll vor Schlaganfällen. „Auch bei über 80-Jährigen kann bei konsequenter Behandlung das Schlaganfallrisiko um die Hälfte verringert werden“, sagte Roland Hardt, Geriater am Katholischen Klinikum Mainz. Die Therapie müsse allerdings behutsamer eingeleitet werden als bei jüngeren Patienten, sonst könne sie tödlich enden.

Für jeden Fünften, den der „Schlag“ trifft, ist er ein Todesurteil. Bei fast allen anderen hinterlässt er – im Unterschied zum Herzinfarkt – bleibende Schäden und Behinderungen. „Unser Ziel muss es sein, dass ein 80-Jähriger seine verbleibende Lebenszeit nicht im Rollstuhl oder gar pflegebedürftig verbringt“, sagt Hardt. Im statistischen Durchschnitt sind das für Männer über 80 noch sieben, für Frauen sogar neun Jahre.

Damit auch die letzten Lebensjahre möglichst gute Jahre sind, haben Altersmediziner sich die „Kompression der Morbidität“ auf die Fahnen geschrieben. Dadurch sollen Krankheiten eine so kurze Lebensphase wie möglich bestimmen. Tatsächlich sind viele Hochbetagte eigentlich recht gesund oder empfinden ihren Gesundheitszustand zumindest als zufriedenstellend. Allerdings „sind die Alten keine homogene Gruppe“, sagt Sieber.

Adelheid Müller-Lissner

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