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Gesundheit: Zu viel Nährstoffe schädigen Boden, Wasser und Luft Bessere Reinhaltung macht Überdüngung sogar noch schlimmer

Stickstoff ist mit fast 80 Prozent mengenmäßig größter Bestandteil der Luft. Seine Verbindungen sind wichtiges Düngemittel.

Stickstoff ist mit fast 80 Prozent mengenmäßig größter Bestandteil der Luft. Seine Verbindungen sind wichtiges Düngemittel. Aber stickstoffhaltige Substanzen bedrohen bestimmte Pflanzengesellschaften und letztlich auch die Atmosphäre. Denn wenn die Pflanzen den angebotenen Stickstoff nicht aufnehmen können, verändern sich die Ökosysteme. Die Böden versauern, das Grundwasser wird verunreinigt, die Gewässer werden überdüngt.

Wissenschaftler des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) haben Flächen in der Dübener Heide jahrelang beobachtet. Die Pflanzenphysiologen des UFZ, das zur Wissenschaftsorganisation der Helmholtz-Gemeinschaft gehört, haben Messmethoden entwickelt, den Stickstoffhaushalt und die Wechselwirkungen in der Natur genauer zu untersuchen. Über die Ergebnisse berichten sie in der Juniausgabe ihres „Magazins“.

Pflanzen brauchen für ihr Wachstum Phosphor- und Stickstoffverbindungen. Fehlt nur eine dieser Stoffgruppen, wirkt auch ein Überangebot der anderen nicht. Deshalb hatten es die Bauern früherer Jahrhunderte schwer, die Felder fruchtbar zu halten. Schließlich wird der Luftstickstoff von den Pflanzen nicht aufgenommen. Gülle gab es damals noch nicht in ausreichenden Mengen. Deshalb wurden zum Beispiel Lupinen ausgesät, die in ihren Wurzelknollen besonders viel pflanzenwirksamen Stickstoff sammeln, der ihnen dort von Bakterien aufbereitet wird.

Die ersten Dünger lieferte die Natur. Guano aus Peru, der aus Vogelkot gewonnen wird und Salze der Phosphor- und Salpetersäure enthält, kam Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Felder. 1913 gelang den Chemikern Fritz Haber und Carl Bosch der Durchbruch zum Kunstdünger. Aus Stickstoff und Wasserstoff stellten sie Ammoniak her, der zu Salpetersäure verarbeitet werden kann.

Mittlerweile gibt es ammoniumreiche Gülle im Überfluss. In Deutschland sind es mehr als 250 Millionen Tonnen pro Jahr. Andererseits gelangen hier zu Lande jährlich über zwei Millionen Tonnen Stickoxide in die Luft, und zwar durch Verbrennungsprozesse.

Das vor allem aus Dieselmotoren ausgestoßene Stickstoffdioxid bildet mit Wasser Salpetersäure, die wiederum mit Mineralien zu Nitraten reagiert. So absurd es klingt: Solche schädlichen Vorgänge wurden in den vergangenen Jahren gerade durch zunehmende Luftreinhaltetechnik noch verstärkt. Denn früher pusteten etwa Kraft- und Zementwerke neben anderen Schadstoffen auch noch basische Stäube in die Luft. Basen neutralisieren die Säuren, bilden Salze. Da die Emission der meisten anderen Luftschadstoffe inzwischen gesunken ist – nur die von Stickoxiden nicht – können sie sich also weiterhin auswirken, zum Teil noch schädlicher.

In der Dübener Heide, einem riesigen Kiefernforst östlich von Bitterfeld, sind die Wissenschaftler vor Ort. Wie sie feststellten, stieg dort der Eintrag aus Stickstoffverbindungen in einigen Jahren sogar – während sich die Menge anderer Schadstoffe um bis zu 85 Prozent verringert hat.

Ökosystem stellt sich um

Mit wesentlich mehr als 15 Kilo Stickstoff pro Jahr erhalten die Wald- und Heideböden ein Vielfaches dessen, was die Pflanzen dort benötigen. Das führt dazu, dass sich ganze Ökosysteme umstellen, weil sich verstärkt solche Pflanzen ausbreiten, die den im Übermaß verfügbaren Stickstoff gern aufnehmen.

Auf Feldflächen werden Pflanzen angebaut, die schnell wachsen und Früchte tragen sollen – sie nehmen die Stickstoffverbindungen also schnell auf. Dennoch haben die Forscher auch für solche Gebiete ein Überangebot von mehr als 100 Kilo pro Jahr und Hektar errechnet. Inzwischen decken die Pflanzen etwa 25 Prozent ihres Stickstoffbedarfs aus Verbindungen, die über die Luft herantransportiert werden. Wie auf den mittlerweile seit 100 Jahren betriebenen Dauerversuchsfeldern bei Bad Lauchstädt (südlich von Halle) gemessen wurde, macht das mehr als 50 Kilo Stickstoff pro Hektar und Jahr aus.

Die Folgen: Die von den Pflanzen nicht angenommenen Nährstoffe versauern die Böden, verunreinigen das Grundwasser und überdüngen die Gewässer. Die Mikroorganismen reagieren auf den Eintrag je nach Bodenbeschaffenheit und Wasserangebot unterschiedlich. Kommt Luft an die von ihnen besiedelten Bereiche heran (aerobe Umgebung), dann wird Ammonium-Stickstoff in Stickstoffmonoxid und Nitrat umgesetzt. Der Boden wird sauer.

In anaeroben Bereichen entsteht dagegen teilweise molekularer Stickstoff – der völlig ungefährlich ist. Allerdings bildet sich auch Distickstoffoxid – klimaschädliches „Lachgas“, das auch an der Zerstörung der Ozonschicht beteiligt ist.Gideon Heimann

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