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Gesundheit: Zu vielem begabt

Besonders kluge Schüler haben es nicht einfach. Aufmerksame Lehrer können helfen

Das kluge Kind, ein Außenseiter. So lautet ein beliebtes Klischee. Da gibt es zum Beispiel Geschichten wie diese: Im Kindergarten wurde Marie so lange von anderen Kindern gemieden, bis sie mit Asthma-Anfällen reagierte. Auch in der Schule, die die Sechsjährige seit einem halben Jahr besucht, findet sie nicht leicht enge Freunde unter den Klassenkameraden.

Zeigt ein Kind Verhaltensauffälligkeiten, kann es tatsächlich sein, dass nicht Lernstörungen oder Disziplinlosigkeit die Ursachen sind – sondern das Kind überdurchschnittlich begabt ist. Unter einer regelrechten Vereinsamung leiden allerdings nur wenige hochbegabte Kinder. Manche haben tatsächlich weniger Freunde als ihre Mitschüler – weil sie bei der Wahl ihrer Sozialkontakte anspruchsvoller sind. Zu einem wirklichen Problem kann aber die Langeweile in der Schule werden. Das alles fand der Marburger Forscher Detlef Rost heraus. Er führte die einzig streng kontrollierte Langzeitstudie an Hochbegabten in Deutschland durch.

„Die Kinder saugen das Wissen wie ein Schwamm auf“, erzählen die Eltern hochbegabter Kinder übereinstimmend. Vor allem in der Grundschule haben die Kinder bereits nach wenigen Wochen den Jahresstoff begriffen. Dann wird es für sie weniger spannend. Die Mitschüler üben, üben, üben. Hochbegabte können sich schnell unterfordert fühlen.

Zwar hat nicht jedes überdurchschnittlich intelligente Kind mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Mehr als 80 Prozent kommen auch an einer gewöhnlichen Schule klar, fand der Psychologe Rost heraus – wenn sie einen Lehrer finden, der sie versteht und adäquat fördert. Häufig sind aber erst Auffälligkeiten in Familie, Kindergarten oder Schule Anlass für Eltern, Erzieher und Lehrer sich mit dem Thema „Hochbegabung“ auseinander zu setzen. Die Eltern dieser so genannten „underachiever“ (Minderleister) empfinden die Hochbegabung ihrer Kinder oft weniger als Glück denn als Belastung. Sie haben keine kleinen Schulstreber, sondern Schulverweigerer und Schulversager. Das sind Kinder, die über ein hohes Potential verfügen, aber es kaum in Leistungen umsetzen.

Experten schätzen, dass zwei bis fünf Prozent der Kinder eines Jahrgangs einen Intelligenzquotienten über 130 haben. Schlaue Mädchen haben oft mehr Schwierigkeiten als Jungen, weil sie weniger auffallen. „Hochbegabte Mädchen reagieren oft still und zurückhaltend, ertragen Langeweile und sind mehr an funktionierenden sozialen Bezügen interessiert als Jungen“, sagt Maria Brandenstein von der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind. Jungen streiten eher mit dem Lehrer, spielen den Klassenkasper, träumen vor sich hin oder schreiben schlechte Arbeiten.

Doch wie können hochbegabte Kinder gefördert werden? „Intelligenz heißt nicht, Erbsen im Hochformat zu zählen. Intelligenz heißt, mit dem geringsten Aufwand das Maximale zu erreichen“, sagt Jutta Billhardt. Die Mutter zweier hoch begabter (mittlerweile erwachsener) Söhne und Vorsitzende des Vereins für Hochbegabtenförderung in Deutschland, setzt sich seit zwanzig Jahren dafür ein, dass extrem intelligente Kinder in Spezialklassen und -kursen gefördert werden, damit sie nicht zu Schulverweigerern werden. Spätestens wenn Probleme auftauchen, muss gehandelt werden, sagt Billhardt. Schließlich hat jedes Kind das Recht, mit seinen Eigenheiten, mit seinen Stärken und Schwächen wahrgenommen zu werden.

Jutta Billhardt hat klare Standpunkte, auch und gerade wenn es keine Spezialangebote für die Kinder gibt: Eltern sollten mit den Lehrern sprechen und sie über die Hochbegabung ihres Kinds informieren. Sowie das Kind unruhig und unglücklich wirkt, sollte es eine Klasse überspringen. Oder auch mal zwei. Vor allem aber rät sie zum Intelligenztest. „Hochbegabung kann nicht von außen oder im Vergleich mit anderen Kindern beurteilt werden. Überspringen in der Schule ist keine Hochbegabtenförderung“, räumt sie ein. „Doch solange es keine Klassen für Hochbegabte gibt, ist Springen die einzige Möglichkeit, der geistigen Unterforderung zu entkommen.“

Jutta Billhardt kennt auch die Schwächen ehrgeiziger Eltern. „Hören Sie auf danach zu gieren, dass sich die Hochbegabung des Kindes in Leistung niederschlägt“, rät sie ihnen. „Vertrauen Sie darauf, dass Intelligenz nicht verfliegt. Wichtig ist eine glückliche und zufriedene Kindheit.“

Mehr im Internet:

Eine umfangreiche, laufend aktualisierte Liste mit Links zum Thema Hochbegabung kann man unter www.hochbegabungs-links.de finden.

Simone Leinkauf

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