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Gesundheit: Zukunft der Wissenschaft in Osteuropa: Dem Kalten Krieg folgt der Krieg um die Köpfe

Als der Kalte Krieg vorbei war, verschärfte sich in Europa der Konkurrenzkampf um die Talente. Dies berichtete Reinder van Duinen, Präsident der Europäischen Wissenschaftsstiftung, in der 67 nationale Wissenschaftsorganisationen der europäischen Union vertreten sind.

Als der Kalte Krieg vorbei war, verschärfte sich in Europa der Konkurrenzkampf um die Talente. Dies berichtete Reinder van Duinen, Präsident der Europäischen Wissenschaftsstiftung, in der 67 nationale Wissenschaftsorganisationen der europäischen Union vertreten sind. Aufgrund ihrer enormen Budgets werben die westlichen Industriestaaten immer mehr begabte Forscher aus Osteuropa und den GUS-Staaten ab - vor allem Nachwuchswissenschaftler.

Was vor zehn Jahren undenkbar schien, ist heute Normalität: Die Russen arbeiten an internationalen Gemeinschaftsprojekten wie dem Fusionsreaktor Iter und der internationalen Raumstation mit, gemeinsam mit Wissenschaftlern aus den USA, der EU und aus Japan. Russische Mathematiker gehören zur globalen Elite. Sie lehren heute in Harvard, Tokio und Berlin. "Aufgrund der Reisemöglichkeiten und der hohen Anerkennung gehörte eine wissenschaftliche Karriere schon vor 1990 zu den begehrten Berufszielen", bestätigte der polnische Wissenschaftsminister, Jan-Krysztof Frackowiak. "Davon können die Forscher heute noch profitieren." Van Duinen und Frackowiak sprachen auf einer Konferenz zur Zukunft der Wissenschaft in Osteuropa, die vom nichtmilitärischen Wissenschaftsprogramm der NATO, der Volkswagenstiftung und dem Wissenschaftsjournal "Nature" veranstaltet wurde. Im Dresdner Hygienemuseum trafen sich rund 300 Forscher und Wissenschaftspolitiker, um über neue Formen der Zusammenarbeit zu diskutieren.

Jan-Krysztof Frackowiak wies darauf, dass Polen und Ungarn rund 30 Prozent ihrer Wissenschaftsbudgets für Grundlagenforschung ausgeben. In den Ländern der OECD oder der Europäischen Union liegt dieser Anteil nur bei circa 20 Prozent. Da die reichen Industriestaaten des Westens und in Fernost aber insgesamt deutlich mehr Geld in die Forschung und ihre Universitäten stecken, wird die Abwanderung der osteuropäischen Eliten auch in Zukunft weitergehen. Japan und Irland starteten unlängst neue Programme, um ihre Grundlagenforschung auszubauen. Beide Länder bemühen sich weltweit um Spitzenkräfte. Auf der anderen Seite drohen den russischen Universitäten weitere Einschnitte. Die sozialen und ökologischen Probleme im ehemaligen Riesenreich werden immer größer.

"Wir brauchen eine stärkere Abstimmung der nationalen Forschungsprogramme, meinte von Duinen. In Europa werden nur fünf Prozent aller staatlichen Forschungsgelder über das fünfte EU-Rahmenprogramm verteilt. 95 Prozent werden über nationale Programme vergeben, die miteinander konkurrieren, beispielsweise in der Biotechnologie, der Verkehrstechnik und den Materialwissenschaften. Jedes Land begreift Wissenschaftsförderung vor allem als Unterstützung der Wirtschaft. Drängende Probleme wie die globale Umweltverschmutzung, Hunger oder Klimawandel stehen nach wie vor hintan. Zwar gab sich van Duinen optimistisch, dass die globalen Probleme bald größere Etats für diese Disziplinen erzwingen werden. Er ließ aber offen, wie nationaler Egoismus überwunden werden kann. Sowohl Frackowiak als auch Wladimir Troyan, Vizepräsident der Universität in St. Petersburg, forderten eine stärkere Beteiligung der Osteuropäer an internationalen Programmen zur Grundlagenforschung.

Einen gegenteiligen Trend hat der Physiker Jerzy Langer von der polnischen Akademie der Wissenschaften ausgemacht. Eine wissenschaftliche Karriere im Westen stehe zur Zeit nur wenigen jungen Osteuropäern offen - immer mehr junge Polen strebten deshalb nach der Ausbildung lieber einen Job in der Wirtschaft an. Zugleich zeichne sich ab, dass wegen des Trends zu kleineren Familien weniger Jugendliche an die Universitäten kommen.

Heiko Schwarzburger

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