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Gesundheit: „Zynisch“

Die Bayern haben leicht reden: Ein Gespräch mit Steffen Reiche

STEFFEN REICHE (43) ist seit 1999 Minister für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg (SPD).

Zuvor war der gebürtige Potsdamer

Wissenschaftsminister.

Foto: ddp

GEBURTENKNICK UND ABWANDERUNG: DIE FOLGEN FÜR BRANDENBURGS SCHULEN

In Brandenburg hat es seit der Wiedervereinigung eine außerordentlich hohe Abwanderung der am besten Qualifizierten gegeben. Sind die Defizite in den Schulen weniger auf die Politik als auf diesen enormen Verlust an Intelligenz zurückzuführen?

Der Braindrain aus Brandenburg hat schon nach 1945 begonnen, weil viele Menschen nach West-Berlin oder in andere westliche Bundesländer gegangen sind. Es ist bedrückend, dass diese Wanderungsbewegung auch nach 1990 angehalten hat. Besonders die Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen hatten, sind in den Süden oder Westen der Republik gegangen. Natürlich hat das Folgen für die Schulen. Ich finde es zynisch, wenn man in den Ländern, die eine besonders geringe Arbeitslosigkeit haben und über viele qualitativ hochwertige Arbeitsplätze verfügen, glaubt feststellen zu können, dass ihre guten Pisa-Ergebnisse allein Ausdruck von richtiger Bildungspolitik seien. Das ist mitnichten so.

Brandenburg hat auch einen Geburteneinbruch ohnegleichen zu verkraften. Viele Schulstandorte in den Dörfern müssen aufgegeben werden – was den Abwanderungsprozess noch verstärkt.

Noch nie seit dem Dreißigjährigen Krieg hat es innerhalb einer so kurzen Zeit einen solchen Geburteneinschnitt gegeben. Die Folge: Wir werden im Schuljahr 2004/2005 mit einem Rückgang von 15 000 Schülern beim Übergang in die siebente Jahrgangsstufe und damit in die weiterführenden Schulen rechnen müssen.

Pisa und Timss haben gezeigt, dass an den Realschulen und an den Gymnasien in Brandenburg bessere Leistungen erbracht werden als an den Gesamtschulen. Spielt das eine Rolle bei der Entscheidung, welche Schulen geschlossen werden?

Die sinnvollste Antwort wäre eine Lösung wie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt: nur noch zwei weiterführende Schulen zu haben, Gymnasien und Sekundarschulen. Diese Lösung ist leider nicht möglich, weil wir dafür derzeit keine politische Mehrheit haben. Deshalb müssen wir für die Schüler im ländlichen Raum in erreichbarer Nähe alle drei Bildungsgänge ermöglichen. In einem Land, wo schon jetzt wichtige Gebiete nur noch 60 Einwohner pro Quadratkilometer haben, ist das sehr schwer zu organisieren.

Warum ist es nicht möglich, die Hauptschule und die Realschule in Sekundarschulen zusammenzuführen, wenn sich dieses Modell in jenen Ländern im Osten durchgesetzt hat, die von der CDU regiert werden?

Das müssen Sie die CDU fragen. Wir haben 1990 einen Fehler gemacht, als wir neben dem Gymnasium zwei weitere Schulformen eingeführt haben – nämlich Gesamtschulen und Realschulen. Die SPD hat der CDU angeboten, den damals von der CDU kritisierten Fehler heute gemeinsam zu beheben. Die CDU ist dazu nicht bereit.

Das Interview führte Uwe Schlicht .

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