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Eine Frage des Maßes. Exzessives, körperlich strapazierendes Yoga dagegen kann Folgen haben, warnen US-Experten, die selber auf Yoga schwören.

© dapd

Gesundheitsgefahren: Yoga - Experten warnen vor den Folgen

„Yoga kann Ihren Körper ruinieren“, schreibt die „New York Times“ und schreckt damit eine Bewegung auf. Die ersten Anhänger springen ab. Madonna macht kein Pilates mehr.

Vor kurzem kam „Der atmende Gott“ in die Kinos. Die persönlich gefärbte „Reise zum Ursprung des modernen Yoga“ des deutschen Dokumentarfilmers Jan Schmidt-Garre ist schon deshalb ein Medienereignis, weil der Yogaboom ungebrochen anhält. Drei Millionen Menschen praktizieren in Deutschland die Asanas, Übungen, die eine Harmonie von Atem und Bewegung herstellen sollen. In den USA sind es rund 20 Millionen – 16 Millionen mehr als vor zehn Jahren –, die meist das körperbetonte Hatha-Yoga praktizieren. „Die große Mehrheit dieser Menschen sollte mit Yoga aufhören“, sagt nun ausgerechnet ein Star der Szene, der Amerikaner Glenn Black, der seit fast dreißig Jahren Stars und Sternchen mit Übungen wie „Kobra“, Kopfstand, „Pflug“ und „Hund“ zu körperlicher Beweglichkeit und geistiger Ruhe verhilft.

Der Wissenschaftsjournalist William Broad hat sich für ein Buch, das Anfang Februar in den USA erscheinen soll, mit Black und anderen Koryphäen unterhalten – ausnahmsweise nicht allein über die segensreichen Wirkungen des Yoga, sondern vorzugsweise über Risiken und Nebenwirkungen, vor allem für Skelett und Muskulatur. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass es heftige Reaktionen hagelte, nachdem Auszüge aus dem Werk in der „New York Times“ erschienen waren. Wenn ein Skifahrer verunglücke, mache doch auch keiner den Berg dafür verantwortlich, so einer der empörten Yogalehrer.

Die ersten Anhänger der Bewegung springen ab. Die alte Yoga- und Pilatesfreundin Madonna sagte jetzt, sie habe mit Pilates aufgehört. „Ich mache kein Pilates mehr. Ich tanze nur noch, Danceaerobic, so was in der Art“, sagte sie. „Tanzen ist das beste für deinen Po.“

Günter Niessen, Berliner Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat den Artikel aus der „New York Times“, auf den ihn einer seiner Patienten aufmerksam machte, dagegen mit Vergnügen gelesen. Der Mediziner kennt sich mit beidem aus, mit Segen und Gefahren von Yoga für den menschlichen Körper. Einerseits bietet er in seiner Praxis therapeutisches Yoga für Einstiegswillige mit orthopädischen Problemen an. Andererseits kommt rund ein Drittel seiner Patienten aber schon von exzessivem Yoga geschädigt in die Praxis. „Häufig sind Verletzungen am Meniskus, Probleme an der Hüfte, aber auch Zerrungen der Rotatorenmanschette im Schultergürtel oder Bandscheibenprobleme im Bereich der Halswirbelsäule“, berichtet Niessen. Und er fügt hinzu: „Zu mir kommen auch Yogalehrer mit Kreuzschmerzen.“ Hauptproblem ist seiner Erfahrung nach der allzu große Ehrgeiz, immer mehr und immer schwierigere Dehnungen hinzubekommen. „Das wird oft nicht mit Muskelkraft abgesichert“, moniert der Orthopäde.

"Yoga ist ein Teil der US-Kultur wie McDonald’s ein Teil der indischen Kultur"

Den Trend zu akrobatischer Körperbeherrschung und sportlichen Höchstleistungen im „Power“-Yoga (Ashtanga-Yoga) sieht auch der Arzt Martin Soder als riskant an, der zusammen mit seiner Kollegin Imogen Dalmann im Berliner Yogazentrum maßgeschneiderte Programme für Menschen zusammenstellt, die schon unter allerlei körperlichem und seelischem Ungemach leiden. Ein „mildes“ Yoga, das man durchaus auch auf einem Stuhl statt im Lotussitz praktizieren kann. „Menschen, die erst mit 40 oder 50 mit den Übungen anfangen, sind schließlich anfangs oft sehr steif, dazu kommen oft krankheitsbedingte Einschränkungen.“ Wer trotzdem starken Ehrgeiz entwickelt, den Pflug, den Schulter- oder Kopfstand zu schaffen, riskiert vor allem Probleme im Nackenbereich.

Auch Soder begrüßt es deshalb, dass Broad sich in seinem Buch der Risiken des Yoga annimmt. „Es herrscht noch viel zu oft die naive Vorstellung: Yoga tut gut, es kann gar nicht schaden. Doch wir haben leider keine Sensoren dafür, ob bestimmte Übungen auf die Dauer doch gesundheitsschädlich sind.“ Für besonders bedenklich hält er esoterische Ansichten wie: Wenn ich mich dabei glücklich fühle, kann es doch nicht falsch sein.

Broad berichtet in der „New York Times“ fast genüsslich von Yogalehrern, die schon in jungen Jahren künstliche Hüftgelenke brauchen oder gar nur noch liegend unterrichten können.

Extrem körperforderndes Yoga sei allerdings in den USA weiter verbreitet als hierzulande, meint Soder, die Ausbildung der Lehrer sei zudem in Europa besser. Die Dunkelziffer der übungsbedingten Verletzungen hält er trotzdem für hoch. Vielen könnte es gegen die Ehre gehen, sich ausgerechnet mit der Kunst geschadet zu haben, die die Seele befrieden und den Körper gesund machen soll.

Zumal die Krankenkassen Yoga inzwischen als Präventionsmethode bezuschussen und wissenschaftliche Studien gezeigt haben, dass es gegen chronischen Rückenschmerz und chronischen Stress, gegen zu hohen Blutdruck und gegen Beschwerden in den Wechseljahren helfen kann. Und dass es keine Altersbegrenzung kennt: Für eine Studie, die die Charité derzeit zusammen mit dem Berliner Yogazentrum durchführt, kommen Yogalehrerinnen in Berliner Altenheime und geben 70- bis 85-Jährigen Kurse, die unter Rückenschmerzen leiden. Die meisten sitzen dabei nicht auf dem Boden auf der berühmten Matte.

Die Bandbreite der Veranstaltungen, die heute unter dem beliebten Label Yoga laufen, ist groß. Den Einwand ihrer Landsleute, dass damit ein uraltes indisches Kulturgut unerlaubter Weise verwässert und verfälscht werde, entkräftet die Wissenschaftshistorikerin Meera Nanda übrigens mit Hinweis auf westliche Einflüsse, die schon seit Jahrhunderten die Asanas prägten. Nüchtern konstatiert die Wissenschaftlerin: „Heute ist Yoga ein Teil der US-Kultur wie McDonald’s ein Teil der indischen Kultur ist.“

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