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Gewalt gegen Frauen: Jede Stunde ein Mitgiftmord

Indien ist nach einer am Mittwoch vorgestellten Studie das frauenfeindlichste Land unter den G 20, den großen Nationen der Welt. Das Land Gandhis schneidet sogar noch schlechter ab als Saudi-Arabien oder etwa Indonesien. Deutschland kommt hinter Kanada auf Platz zwei bei der Bewertung der Lebensbedingungen von Frauen.

Madhu lernte Sameep über eine Internet-Partnerbörse kennen. Der 33-jährige Banker schien eine gute Partie. Wenig später heiratete das Paar und zog nach Mumbai. Doch die Ehe wurde zum Alptraum. Der Ehemann begann, die 29-Jährige zu misshandeln, um mehr Mitgift zu erpressen. Am Ende mit den Nerven teilte Madhu ihren Eltern mit, dass sie ihn verlassen werde. Madhu kam nicht mehr dazu. Am Tag danach fand man sie tot auf, mit Würgemalen am Hals.

Jede Stunde stirbt in Indien eine Frau wegen der Mitgift. Zehntausende Babies werden jedes Jahr abgetrieben, weil sie weiblich sind. Frauen werden vergewaltigt, geschlagen, als Kinder verheiratet, wie Sklaven gehalten. Eine Studie der Thomson Reuters Foundation kommt jetzt zu dem traurigen Schluss: Ausgerechnet Indien, das Land von Mahatma Gandhi, ist der frauenfeindlichste Staat unter den G 20, den großen Nationen der Welt.

Als bestes Land für Frauen stufen die 370 befragten Experten Kanada ein. Deutschland errang trotz der Misere bei der Kinderbetreuung den zweiten Platz, gefolgt von Großbritannien, Australien, Frankreich und den USA.

Den Schluss bildet neben Indien das reiche Saudi-Arabien, das die Rechte von Frauen massiv beschneidet und ihnen nicht einmal das Autofahren erlaubt. Auch Indonesien, Südamerika und Mexiko liegen hinten.

Aber nirgendwo sonst auf der Welt finde man ein solches Ausmaß an Gewalt gegen Frauen wie in Indien, so das Ergebnis der Studie. Dabei haben Frauen auf dem Papier die gleichen Rechte. Seit 2005 gibt es sogar ein eigenes Frauenschutzgesetz. Doch die Realität sieht anders aus. „Frauen und Mädchen werden weiter wie Vieh verkauft, mit zehn Jahren verheiratet, lebendig verbrannt oder wie Sklaven gehalten“, meint Gulshun Rehman von der Organisation „Save the Children“.

Die Studie steht in krassem Kontrast zu Indiens Image als moderne, aufstrebende Wirtschaftsmacht. Mit Indira Gandhi führte bereits in den 60er Jahren eine Frau den Staat. Auch heute gilt eine Frau als die heimliche Herrscherin des Riesenlandes: Sonia Gandhi, die Chefin der Kongresspartei. Frauen besetzen Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft.

„Es gibt zwei Indien: eines, das Frauen mehr Gleichberechtigung und Wohlstand zugesteht. Und eins, in dem die riesige Mehrheit der Frauen ohne jede Rechte lebt“, sagt Sushma Kapoor von der UN-Organisation für Frauenrechte. Vielerorts bestimmt weiter ein barbarischer Chauvinismus das Denken: Der Mann ist alles, die Frau zählt nichts.

Vor allem in den nördlichen Regionen sei Gewalt gegen Frauen gang und gäbe. Sie würden als Gebärmaschinen und Arbeitstiere gesehen. Die Geburt eines Mädchen gilt als Unglück, weil die Familie später horrende Summen für die Mitgift zahlen muss. Laut Studien wurden in den vergangenen 30 Jahren zwölf Millionen weibliche Föten deshalb abgetrieben.

Auch Ehrenmorde sind auf dem Land verbreitet. Opfer seien oft Mädchen und Frauen, die vermeintlich die Familienehre beschmutzt hätten. Noch immer würden fast 45 Prozent aller Mädchen verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt seien, sagen Frauenorganisationen. Jede fünfte Frau stirbt bei der Geburt oder im Kindbett – viele von ihnen sind noch Teenager.

Juristen rufen nach härteren Strafen. Doch viele Politiker wagen sich nicht an das Thema heran. Weil Gewalt gegen Frauen bis heute sozial akzeptiert ist, fürchten sie um Wähler. Doch es gibt auch Hoffnung. Vor allem im Fernsehen werden die Missstände zunehmend thematisiert und angeprangert.

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