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Gewaltausbruch: „Eigentlich ein netter Junge“

Der 18-Jährige, der in der Nacht zum Sonntag eine alkoholkranke Frau getötet haben soll, ist in Untersuchungshaft. Entsetzen und Ratlosigkeit dominieren die Reaktionen auf den Gewaltexzess von Hettstedt in Sachsen-Anhalt. Über das Motiv wird gerätselt.

Von Frank Jansen

Der tödliche, mit ungeheurer Brutalität verübte Angriff eines 18-Jährigen auf eine alkoholkranke Frau hat Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) geschockt: „Für ein solches Verbrechen gibt es keine Entschuldigung“, sagte Böhmer am Montag. Er appellierte an Politik und Gesellschaft, „neben der entschiedenen Verfolgung derartiger Straftaten durch Polizei und Justiz müssen wir gemeinsam Wege finden, um jugendlicher Gewalt besser entgegenzuwirken“. Böhmer vermied es aber, sich in die aktuelle Debatte über härtere Strafen gegen jugendliche Gewaltkriminalität einzuschalten. Ein Sprecher von Landesinnenminister Holger Hövelmann (SPD) nannte die Tat „erschütternd“. Hettstedts Bürgermeister Jürgen Lautenfeld geht es „kalt den Rücken runter“.

Unklar bleibt allerdings das Tatmotiv. Eric W. hatte die 54 Jahre alte Elisabeth M. auf dem Marktplatz der Kleinstadt zu Boden geschlagen und ungefähr zehn Minuten mit Tritten gegen den Kopf traktiert. Die Frau habe eine Schädelbasisfraktur und weitere „schwerste Verletzungen“ erlitten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle, Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck. Elisabeth M. sei im Rettungswagen auf der Fahrt ins Krankenhaus verblutet. Das Amtsgericht Hettstedt erließ am Montag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Halle einen Haftbefehl gegen Eric W. wegen Totschlags.

Der 18-Jährige war schon vor dem Angriff auf die Frau ausgerastet. Er drang in eine geschlossene Pizzeria nahe des Marktplatzes ein und zerschlug das Mobiliar, Weinflaschen und andere Lebensmittel. „Es sah aus wie ein Schlachtfeld“, sagte der Besitzer der Pizzeria, der aus Pakistan stammende Jimmi Akhtar, dem Tagesspiegel. Akhtar bezifferte den Schaden auf 30 000 Euro. Da die Einrichtung nicht versichert war, drohe der Ruin. Er wolle aber versuchen, die Pizzeria wiederzueröffnen. Einen Grund für den Vandalismus kann Akhtar nicht erkennen: In den zehn Jahren, die er das Lokal betreibe, habe es keine ausländerfeindlichen Angriffe oder sonstige Probleme gegeben. Und er kenne Eric W. nicht.

Bei der Raserei in dem Lokal hatte sich Eric W. fast aller Kleidungsstücke entledigt. In einer kurzen Turnhose, um die er ein Tischtuch der Pizzeria geschlungen hatte, lief er zum Marktplatz und traf offenbar dort auf Elisabeth M. Die Frau, um die sich seit längerem ein Betreuer kümmerte, hatte gegen den kräftigen 18-Jährigen keine Chance.

Bei den Verhören durch die Polizei und vor der Haftrichterin sagte Eric W., er könne sich weder an die Randale in der Pizzeria noch an die Tritte gegen die Frau erinnern. Kurz nach der Festnahme hatte ein Alkoholtest aber nur 1,57 Promille ergeben. Außerdem bestritt W., andere Rauschmittel konsumiert zu haben. „Entweder ist er schlicht durchgedreht, oder es war Hasskriminalität gegen Ausländer und sozial Schwache“, hieß es in Sicherheitskreisen. Es gebe allerdings bei Eric W. keine Erkenntnisse über rechtsextreme Aktivitäten, er sei früher nur durch kleinere Sachbeschädigungen und Diebstahl aufgefallen. Im Dezember hatte W. eine Lehre in Westdeutschland abgeschlossen, seitdem lebte er wieder bei den Eltern in Hettstedt. Eine Nachbarin sprach von einer intakten Familie, Eric sei eigentlich „ein netter Junge“.

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