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Robert Duvall

© - Foto: ddp

"Glück im Spiel": Immer noch ein Ass im Ärmel

Im Kino gibt Robert Duvall nüchterne Typen, privat ist der pragmatische Darsteller durchaus sinnenfroh.

St. Regis Hotel, Rom. Es ist schwül, und in wenigen Minuten beginnen Robert Duvalls Interviews zu seinem neuen Film „Glück im Spiel“. Er sitzt seelenruhig in der barock dekorierten Lobby und isst genüsslich ein Eis. Mit wie vielen Journalisten er im Laufe seiner langen Karriere bereits gesprochen hat? Robert Duvall hat es längst vergessen. Ähnlich wie viele Rollen, die er irgendwann nicht mehr gezählt hat. „Das Chamäleon“ taufte man ihn in Hollywood. Er schlüpft in seine Charaktere wie in maßgeschneiderte Anzüge. Ob in „Der Pate“ oder „Apocalypse Now“, Robert Duvall arbeitet diskret und präzise wie ein Auftragskiller, der keine Spuren hinterlässt. Seine schillernden Rollen bleiben unvergessen, der Schauspieler verschwindet wieder im banalen Alltag.

In „Glück im Spiel“ gibt er diesmal einen Pokerkönig, der in Las Vegas über sein Reich der Spieltische herrscht. „Ich war nie ein leidenschaftlicher Spieler“, erzählt Duvall. „Aber meine ganze Karriere war ein einziges Spiel. Du weißt ja nie, was aus einem Film wird. Ich habe sehr hoch gepokert, als ich Joseph Stalin gespielt habe. Du weißt nie, welches Blatt du auf der Hand hast. Und als Schauspieler geht man mit solchen Rollen immer ein großes Risiko ein. Man kann eine Menge verlieren. Aber ich hatte relativ viel Glück im Spiel.“ Dabei begann diese Karriere mit einer Katastrophe: Die Kritiken nach seinem Theaterdebüt in New York lassen ihn noch heute unruhig im Sessel hin und her rutschen: „Für meine erste richtige Rolle bekam ich die miesesten Kritiken meines Lebens. Mir war richtig schlecht, nachdem ich sie gelesen hatte. Es war ein absolutes Desaster. Das Stück wurde nach sechs Tagen abgesetzt. Zwischen meinem 26. und 34. Lebensjahr habe ich mich oft mit Sommertheater über Wasser gehalten.“

Dazu waren auch Nebenjobs notwendig: Erst lieferte er Damenhüte aus, dann folgte der obligatorische Job amerikanischer Schauspieler: Tellerwäscher. „Nach zwei Tagen schickte ich Gene Hackman, um meinen Scheck abzuholen“, erinnert sich der 76-Jährige, „dann ergatterte ich endlich eine tolle Stelle bei der Post. Die Bezahlung war für damalige Verhältnisse grandios.“

Mit seinem Bruder und den Kollegen Gene Hackman und Dustin Hoffman teilte sich Robert Duvall ein Apartment in Manhattan – eine WG, um die sich mittlerweile Legenden ranken; die meisten handeln von Frauengeschichten und Schlägereien. „Wir hatten schon so eine Ahnung, dass wir uns in eine bestimmte Richtung entwickeln könnten“, erinnert sich Duvall an die Anfangstage von „New Hollywood“. „Bei uns drehte sich alles um Theater und Film. Ich erinnere mich noch, wie Dustin immer am Küchentisch saß und sagte: Leute, lasst uns doch mal über etwas anderes als Schauspielerei und Frauen sprechen.“

Der große internationale Durchbruch gelingt erst 1972 mit Francis Ford Coppolas „Der Pate“. Da ist Duvall bereits 41 Jahre alt. Die kultische Verehrung des Hollywoodkinos der späten Sechziger und Siebziger Jahre bringt ihn heute zum Schmunzeln: „Coppola behauptet ja, es seien seit den Siebzigern keine großen Filme mehr gemacht worden. Das gilt vielleicht für ihn. Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört. Und, glauben Sie mir, in den Siebzigern wurden auch jede Menge lahme Filme produziert. Aber Sie haben recht: Damals saßen die Independentfilmer in den Büros der großen Studios – so dämliche, völlig überteuerte Actionfilme, wie sie heute am laufenden Meter auf den Markt kommen, hätte es damals tatsächlich nicht gegeben.“

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sieht Robert Duvall seinen Beruf eher pragmatisch. Der Begriff „Method Acting“ lässt ihn wild mit den Augen rollen: „Ich konnte eine sehr emotionale Szene spielen, ich glaube, meine Frau starb oder so etwas. Und ich habe mir gleich anschließend ein Omelett gebraten. Viele Regisseure fanden das etwas schockierend. Wie der Name schon sagt: Schauspielen ist ein Spiel und keine Quantenphysik. Es soll Spaß machen, so wie Kinder Familie spielen.“ Natürlich mache er sich manchmal Gedanken und müsse sich auf eine Szene konzentrieren – „aber nicht immer. Das wäre auch viel zu anstrengend. Heute brauche ein schönes Nickerchen pro Tag. Als ,Method Actor‘ bräuchte ich mindestens drei oder vier.“

Auf der Leinwand gelingt ihm nichts eindrucksvoller als die uramerikanischen, nüchternen Puritaner. Der private Robert Duvall gibt dagegen den sinnenfrohen Bacchanten. Seit achtzehn Jahren ist er dem Tango verfallen. Und wenn er seine römischen Lieblingsrestaurants empfiehlt, lodert das Feuer eines wahren Gourmets in seinen Augen. Nach drei gescheiterten Ehen heiratete er 2004 zum vierten Mal. Seine Frau, die Argentinierin Luciana Pedraza, ist 42 Jahre jünger als er. „Als wir ihren Vater besuchten, sagte er, er sei nicht sicher, ob er mich Vater oder Sohn nennen soll – er ist jünger als ich“, gibt Duvall zu. Er hat sie in Buenos Aires auf der Straße getroffen. „Angeblich wusste sie nicht, wer ich bin. Na ja, das behaupten sie ja immer.“ Sie brachte ihn dazu, „auf meine alten Tage noch mit Yoga anzufangen“.

Einen aktuellen Western würde er gerne noch drehen : über illegale Einwanderer an der Grenze der USA zu Mexiko.

Christian Aust

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